Halbjahreszahlen Absatzeinbruch: Geschäft mit Bier läuft nicht mehr rund
Bier mit Alkohol geht in Deutschland immer seltener über den Tresen. Weil die erfolgreichen alkoholfreien Sorten die Verluste nur zum Teil ausgleichen, wollen die Brauer höhere Preise durchsetzen.

Wiesbaden - Die Menschen in Deutschland trinken immer weniger Bier - wenn Alkohol enthalten ist. Auch die Verdoppelung der Braumenge alkoholfreier Sorten in den vergangenen zehn Jahren kann die Verluste der Brauer nur eindämmen. Die Brauwirtschaft sieht sich nach einem harten Absatzeinbruch im ersten Halbjahr vor massiven Problemen. Die Branche erwartet angesichts steigender Kosten weitere Pleiten und verlangt höhere Preise.
Die deutsche Bierproduktion geht schon seit vielen Jahren kontinuierlich zurück. Bekannte Gründe für den abnehmenden Konsum sind die alternde Gesellschaft ebenso wie der Trend zu einem gesundheitsbewussten Lebensstil und geänderte Konsumgewohnheiten vor allem jüngerer Menschen.
Starker Einbruch zum Halbjahr
Doch einen Einbruch wie in der ersten Hälfte dieses Jahres haben die Brauer noch nicht erlebt. 3,9 Milliarden Liter Bier mit Alkohol bedeuten zum Vorjahreszeitraum einen Rückgang um 6,3 Prozent, wie das Statistische Bundesamt berichtet. Ähnliche Rückschläge hatte es nur zu Beginn der Corona-Pandemie im ersten Halbjahr 2020 und im zweiten Halbjahr 2023 gegeben.
Bereits im vergangenen Jahr hat Deutschland seine Rolle als mengenmäßiger Bier-Europameister an Russland abgegeben, wie aus einer Aufstellung des weltgrößten Hopfenhändlers BarthHaas hervorgeht.
Bier-Menge geht immer weiter zurück
Erstmals wurde nun in einem Halbjahr die Grenze von vier Milliarden Litern unterschritten. Im Inland, das immer noch knapp 82 Prozent des Gesamtabsatzes ausmacht, fiel der Rückgang mit 6,1 Prozent etwas schwächer aus als im Export, wo die Menge um 7,1 Prozent schrumpfte.
Lichtblick bleibt die Entwicklung der alkoholfreien Sorten: Im vergangenen Jahr wurde mit 579 Millionen Litern fast doppelt so viel alkoholfreies Bier produziert wie noch zehn Jahre zuvor. Der Marktanteil beträgt inzwischen neun Prozent. Bald wird jedes zehnte in Deutschland gebraute Bier alkoholfrei sein.
Alkoholfreies in Kneipen besonders gefragt
In der Gastronomie liegt der alkoholfreie Anteil bereits höher, zeigt der Kollex-Biermonitor, der Bestellungen aus dem Gastgewerbe auswertet. Danach wurde in der Gastronomie im ersten Halbjahr jedes achte Bier (12,3 Prozent) in der alkoholfreien Variante bestellt. Vorreiter ist der eigentlich weinselige Südwesten: In Rheinland-Pfalz und dem Saarland ist schon fast jede vierte Bestellung alkoholfrei.
Veltins-Chef Volker Kuhl hat seine Brau-Kollegen aber vor überzogenen Erwartungen gewarnt, weil sich auch um die alkoholfreien Sorten ein harter Wettbewerb entwickelt hat. Kuhl sagt: „Alkoholfreie Biere sind aus unserer Sicht allenfalls ein Pflaster, das die Schmerzen lindert.“ Sie seien kein Retter in der Krise und könnten aktuell nur ein Drittel der Mengenverluste kompensieren.
Brauer-Bund sieht auch Probleme in den USA
Der Deutsche Brauer-Bund sieht neben der demografischen Entwicklung auch konjunkturelle Probleme. Hauptgeschäftsführer Holger Eichele betont: „Ähnlich wie bei Gastronomie und Handel schlägt das schlechte Konsumklima auch auf die Brauereien voll durch. Die Situation der Gastronomie ist besorgniserregend, viele Betriebe kämpfen ums Überleben und haben sich seit der Pandemie nicht mehr erholt.“
Bei vielen Brauereien sieht es kaum besser aus als in den Kneipen: Nach dem Corona-Schock wurden sie von stark steigenden Energiepreisen kalt erwischt. Gas und Strom sind beim Bierbrauen ein wichtiger Kostenfaktor. Auch die Rohstoffe und die Lohnkosten sind deutlich teurer geworden. Beim Export dürfte das Zollabkommen mit den USA den Druck auf die Betriebe noch erhöhen.
Kosten steigen schneller als Preise
Nach einer Analyse der Beratungsgesellschaft Roland Berger sind die Herstellungskosten beim Bier seit Jahren viel stärker gestiegen als die Preise, die Brauereien im Großhandel erzielen. Die Berater resümieren: „Damit stehen viele Brauereien unter einem enormen Margen- und Kostendruck, unter dem auch Investitionen leiden, die etwa für die Entwicklung neuer Produkte, aber auch für das Erreichen von Nachhaltigkeitszielen und Zukunftsfähigkeit unverzichtbar sind.“
Knapp 100 kleine und mittlere Betriebe haben nach Angaben des Brauer-Bundes in den vergangenen fünf Jahren bereits aufgegeben, während Branchenriesen wie Radeberger große Braustätten wie die Binding-Brauerei in Frankfurt geschlossen haben. Doch der Markt ist bei knapp 1.500 verbliebenen Brauereien nach wie vor von großen Überkapazitäten geprägt, was dem mächtigen Einzelhandel die Preisverhandlungen weiterhin leicht macht.
Keine schnelle Markterholung erwartet
Veltins-Chef Kuhl rechnet in naher Zukunft mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten bei vielen Betrieben. „Die Luft wird für viele Brauereien durch den gewachsenen Kostendruck dünn, zumal wir nicht von einer Marktentspannung vor Ende 2026 ausgehen.“
Für den Brauer-Bund steht auch mit Blick auf die europäischen Nachbarn fest: Bier ist in Deutschland eindeutig zu billig - sowohl im Supermarkt als auch in Kneipen und Restaurants. Ob die Brauer tatsächlich höhere Preise durchsetzen können, steht aber noch aus.