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Bertelsmann-Studie Kommunen driften auseinander

Die Kluft zwischen armen und reichen Kommunen in Deutschland wird immer größer. Sachsen-Anhalt machen geringe Steuereinnahmen zu schaffen.

Von Michael Bock 10.07.2019, 01:01

Magdeburg/Gütersloh l Die Finanzkraft der Kommunen in Deutschland driftet trotz der allgemein guten Kassenlage immer stärker auseinander. Zu diesem Ergebnis kommt eineam Dienstag vorgestellte Studie der Bertelsmann-Stiftung. Bundesweit befänden sich die Kommunen seit 2012 in einer Phase außerordentlicher Stabilität, bedingt durch eine anhaltend starke Konjunktur. Die Steuereinnahmen der Gemeinden seien seitdem um mehr als ein Drittel (36 Prozent) gestiegen. Aber: „Die regionalen Unterschiede haben sich weiter verschärft.“

An der Spitze der Steuereinnahmen lagen im vorigen Jahr die Kommunen in Hessen, Bayern und Baden-Württemberg. Die ostdeutschen Kommunen erreichten dagegen im Durchschnitt nur 61 Prozent des westdeutschen Niveaus.

Von den 40 steuer­stärksten Kommunen liegen nach der Auswertung 39 in Westdeutschland; von den 40 schwächsten Kommunen befinden sich 35 in Ostdeutschland. Der Landkreis München als bundesweit stärkster Kreis nimmt der Studie zufolge pro Einwohner siebenmal so viele Steuern ein wie der schwächste Kreis Mansfeld-Südharz in Sachsen-Anhalt.

Der Geschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes Sachsen-Anhalt, Jürgen Leindecker, sagte der Volksstimme gestern, so lange sich die Steuereinnahmen in den neuen Ländern nicht deutlich erhöhen würden, blieben die Kommunen im Osten im Bundesvergleich auf den hinteren Plätzen.

Der Deutsche Städtetag reagierte besorgt auf die Studie. „Diese Daten zeigen: Der Handlungsdruck ist riesengroß“, teilte Städtetagspräsident Burkhard Jung in einer Presseerklärung mit. Auch die gute wirtschaftliche Lage trage nicht dazu bei, dass die Unterschiede kleiner würden. Ursachen hierfür seien in strukturschwachen Kommunen hohe Sozialausgaben, niedrige Steuereinnahmen und unzureichende Investitionen. Dadurch sinke die Standort-Attraktivität immer weiter. Jung: „Eine wirtschaftliche Aufholjagd wird finanzschwachen Städten so unmöglich – jedenfalls ohne Hilfe von Bund und Ländern.“

Der Leipziger Oberbürgermeister forderte Unterstützung vom Bund. Notwendig seien „eine nachhaltige Lösung des Altschuldenproblems“ sowie mehr Geld für die regionale Wirtschaftsförderung.

Erstmals wurden in dem Finanzreport auch die Bar- und Sichteinlagen untersucht. Diese seien zwischen 2012 und 2017 von 33 Milliarden Euro auf 48 Milliarden Euro gestiegen. Allerdings gebe es gerade hier erhebliche Unterschiede zwischen den Ländern. So erreichten die bayerischen Kommunen pro Einwohner den neunfachen Wert des Saarlands.

Als „zentraler Krisenindikator“ würden die sogenannten Kassenkredite der Kommunen gelten, heißt es in der Studie. Diese sind eigentlich als kurzfristige Überbrückung von Haushaltslücken vorgesehen. Tatsächlich aber werden sie in vielen Kommunen als dauerhaftes Finanzierungsinstrument genutzt.

Laut Studie sind die Kassenkredite zuletzt – bundesweit betrachtet – zwar auf 36 Milliarden Euro gesunken, rund die Hälfte aller Kommunen in Deutschland ist nahezu frei davon. Am geringsten sind diese Kredite in Bayern, Baden-Württemberg, Thüringen und Sachsen. Im Saarland, in Rheinland-Pfalz und in Nordrhein-Westfalen gebe es hingegen weiterhin „bedrohlich hohe Bestände“. 2017 befanden sich demnach von den 20 Kommunen mit den höchsten Kassenkrediten 19 in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen.

Laut Städte- und Gemeindebund lagen die Kassenkredite in Sachsen-Anhalts Kommunen zum 31. Dezember 2018 bei knapp 1,4 Milliarden Euro. Dazu hätten die Kommunen Schulden von noch einmal rund 1,4 Milliarden Euro angehäuft.

Die Studie kommt zum Ergebnis, mit der Wirtschaftskraft der Städte würden auch die Lebensverhältnisse ihrer Einwohner immer mehr auseinanderdriften. Schwächere Kommunen hätten keine Finanzpolster. Folge: „Eine Abkühlung der Konjunktur reißt unmittelbar neue Löcher in die Haushalte und macht die vergangenen Bemühungen zunichte.“