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Landwirtschaft Weniger Zeit im Kastenstand

In Sachsen-Anhalt testen 18 Schweinehalter, wie sie den Aufenthalt von Sauen in den umstrittenen Kastenständen verkürzen können.

Von Franziska Ellrich 29.12.2016, 00:01

Magdeburg/Drewitz l Mehrere Monate im Jahr sind Zuchtsauen in sogenannten Kastenständen, engen Gitterboxen aus Stahl, fixiert – in denen sie sich kaum bewegen können. Während Tierschützer diese Haltungsform aus tierschutzrechtlichen Gründen kritisieren, argumentieren die Schweinezüchter, ohne Kastenstände geht es nicht: Weil die Sauen zur Besamung fixiert sein müssen, viele Schweine auf einer bestimmten Fläche untergebracht werden können, sich die Tiere nicht gegenseitig verletzen und die Sauen ihre Ferkel ansonsten erdrücken könnten.

Um die Haltung von Sauen in Kastenständen hatten sich in den vergangenen Jahren der Landkreis Jerichower Land und eine im Landkreis sitzende Firma des Schweinezüchters Adrianus Straathof einen Rechtsstreit geliefert – bis zur höchsten Instanz, dem Bundesverwaltungsgericht Leipzig. Das hatte im November eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Oberverwaltungsgericht Magdeburg abgewiesen: Das Magdeburger Urteil vom 24. November ist damit rechtskräftig.

Danach müssen die Sauen in den Kastenständen – wie in der Nutztierhaltungs-Verordnung festgelegt – in Seitenlage ihre Beine ungehindert und verletzungsfrei ausstrecken können.

Mit dem aktuellen Urteil ist die Diskussion unter den Schweinehaltern entbrannt. Züchter Dr. Rudolf Lüdemann hält in Drewitz (Jerichower Land) rund 2000 Tiere. Er kennt Kollegen, die ihre Kastenstände jetzt so weit verbreitert haben, wie die Sau hoch ist. „Die Tiere versuchen sich darin umzudrehen, dabei verletzten sie sich grausam und bringen sich sogar um.“

Lüdemann gehört mit seinem Stall zum Pilotprojekt. Er bevorzugt eine andere Lösung: Nur eine Viertelstunde nach der Besamung werden die Kastenstände geöffnet und die Sauen können sich sowohl in der Gruppe aufhalten als auch sich in die Bucht zurückziehen. Jedoch spricht der Tierarzt und -halter Lüdemann von jeder Menge Stress für die Sauen. In der Phase nach der Befruchtung würde die Hormonwelle besonders intensiv sein – und es habe eigentlich Sinn, die Tiere voreinander zu schützen. Sachsen-Anhalts Bauernverbandssprecher Christian Apprecht dazu: „Rauschende Sauen können ziemlich brutal sein und bei den Rangkämpfen sich gegenseitig schwere Verletzungen zufügen.“

Doch: Die Kastenstände sind „in Teilen der Gesellschaft nicht gewollt“, nennt Christian Apprecht einen Grund, warum die 18 Sauenhalter im Land einen anderen Weg gehen wollen. Mit Hilfe von Wissenschaftlern, darunter ein Professor für Tierverhalten sowie ein Professor für Tiergesundheit, sei man jetzt dabei, die Zeiten der Sauen in den schmalen Kastenständen stetig weiter zu minimieren. Zumindest im Deckzentrum soll es dann nur noch um wenige Tage gehen. Die Wissenschaftler sind involviert, um eine passende Lösung für Mensch und Tier zu finden. Die Entscheidung des Gerichtes und die von den Behörden sofort verlangte Umsetzung sorgt bei den Sauenhaltern für Unmut.

Auf Volksstimme-Nachfrage erklärt der Verbandssprecher: In der Sauenhaltung habe sich der Kastenstand sowohl für die Tiere als Rückzugsort als auch für die Mitarbeiter in punkto Arbeitsschutz bisher notwendig gemacht. Der Vorstandsvorsitzende des Schweinewirtschaftsverbandes Sachsen-Anhalt, Werner Gutzmer, sagt gegenüber der „Bauernzeitung“: „Wir brauchen mehr Zeit, um den Kastenstand, so wie er jetzt existiert, ordentlich abzulösen und praxistaugliche Alternativen zu finden.“ Doch das Urteil solle ohne Handlungsspielraum auf allen Betrieben durchgesetzt werden. „Wir wollen nicht schlechter gestellt werden als die anderen Betriebe in Deutschland.“

Im neuen Jahr rechnet man beim Bauernverband mit ersten Ergebnissen des „bundesweit einmaligen Projektes“. Apprecht: „18 Betriebe bedeuten am Ende auch 18 Varianten mit den unterschiedlichsten Herausforderungen.“