Lebensmittelkonzern Zweiter Chefwechsel in einem Jahr - Nestlé unter Druck
Skandal, Kursverlust, frischer Wind? Die Entlassung von Laurent Freixe bringt Nestlé in die Bredouille. Nun soll der 49-jährige Philipp Navratil das Image des Konzerns retten und für Wachstum sorgen.

Vevey - Der weltgrößten Nahrungsmittelkonzern Nestlé steckt nach dem zweiten Chefrausschmiss innerhalb von zwölf Monaten in Turbulenzen. Der Aktienkurs kam nach dem abrupten Abgang des Franzosen Laurent Freixe (63) an der Schweizer Börse zeitweise unter Druck.
Bei dem entlassenen Franzosen Freixe wurde als Grund eine romantische Beziehung zu einer ihm unterstellten Managerin genannt, die er verheimlicht haben soll. Das verstößt nach Unternehmensangaben gegen die ethischen Grundsätze der Firma. Allerdings war Freixe ohnehin nicht unumstritten. Investoren waren unzufrieden mit seinen Geschäftsergebnissen.
Freixe hatte seinen Vorgänger, den deutschen Manager und früheren Fresenius-Chef Mark Schneider erst vor einem Jahr abgelöst. Schneider musste im September 2024 gehen, weil der Verwaltungsrat mehr Wachstum wollte. Unter Schneider und Freixe war der Aktienkurs 2024 um fast ein Viertel eingebrochen. Freixes Bilanz 2025 war zuletzt zusätzlich ein leichtes Minus.
Der Neue ist relativ jung
Nun soll der Schweizer Philipp Navratil (49) es richten. Frischen Wind von außen bringt er allerdings nicht mit. Er hat wie sein Vorgänger einen Großteil seiner Karriere bei Nestlé absolviert. Navratil war seit 2001 zunächst in der internen Revision und zuletzt Chef des Kaffeegeschäfts Nespresso. Er ist seit Anfang Januar in der Konzernleitung.
David Hayes von der Investmentbank Jefferies, stellte prompt die Frage, warum Nestlé erneut einen Chef aus den eigenen Reihen berufen hat, anstatt sich Zeit für eine umfassende Bewertung interner und externer Kandidaten zu nehmen.
Verwaltungsratspräsident Paul Bulcke lobte aber Navratils „beeindruckende Erfolgsbilanz“ und seine „dynamische Ausstrahlung“. Die Firma wolle ihren strategischen Kurs unter Navratil beibehalten, aber das Tempo bei Wachstum und Effizienz steigern.
Was Analysten denken
Eine der ersten Aufgaben von Navratil werde es sein, Nestlé aus der Serie der negativen Schlagzeilen herauszuführen, meinte Jean-Philippe Bertschy, Analyst bei der Bank Vontobel. Er bezeichnete den Manager als „außergewöhnlich direkt, ehrgeizig und konsequent ergebnisorientiert.“ Dass der neue Chef für Nestlé-Verhältnisse relativ jung sei, könne zunächst für Unsicherheit sorgen, meinte Analyst James Edwardes Jones von der kanadischen Bank RBC.
Freixe hatte das Unternehmen zwar unter anderem auf das Kerngeschäft und margenstarke Premiumprodukte fokussiert, aber das schwächelnde Geschäft mit China brachte er nicht voran. Im Bereich Wasser zog Nestlé sich in Frankreich scharfe Kritik zu, weil es Quellwasser auf unzulässige Weise gefiltert und trotzdem als natürliches Mineralwasser vertrieben haben soll.
Personalwechsel als Signal für strategischen Neuanfang
Anhaltende Personalwechsel haben Nestlé zuletzt nicht in ruhige Fahrwasser gebracht. Neben der neuen Finanzchefin Anna Manz gab es auch mehrere Wechsel unter den Regionalchefs. Zudem tritt der langjährige Verwaltungsratspräsident Bulcke im nächsten Jahr nicht mehr zur Wiederwahl an. Nachfolger soll Vizepräsident Pablo Isla werden. Der Spanier leitete den Modekonzern Inditex bis 2022 und war nie operativ bei Nestlé tätig. Das gilt als Bruch mit der Nestlé-Tradition und wird von manchen Beobachtern als Signal für einen strategischen Neuanfang gedeutet.
Nestlé wurde 1866 gegründet. Das Unternehmen vertreibt über 2,000 Marken in Bereichen wie Kaffee, Wasser, Babynahrung, Milchprodukte, Tiefkühlkost und Tiernahrung, ist in rund 185 Ländern aktiv und hat rund 277.000 Beschäftigte (2024). Der Börsenwert liegt bei mehr als 200 Milliarden Euro.