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Bundesregierung Merkels infiziertes Machtsystem

In der amerikanischen Politik heißt ein Präsident, der eine Wahl verloren hat, „Lame Duck“ (lahme Ente).

Von Steffen Honig 25.11.2020, 14:03

Berlin l Donald Trump fällt hier aus der Norm, indem er sich als verrücktes Huhn gebärdet.

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hätte ohne das Wüten der Corona-Pandemie nach vier Amtsperioden 2021 wohl einen sanften Abgang in Lame-Duck-Manier hinlegen können. Ihre Popularität pflegen, um die Welt düsen, um diese besser zu machen, die Veröffentlichung der Memoiren in die Wege leiten und unaufgeregt die Nachfolge regeln.

Das Volk hat sie auf ihrer Seite: Alle, die sich sonst noch auf der politischen Bühne in Deutschland bewegen, erreichen nicht annähernd ihre Umfragewerte.

Doch zwingt die Pandemie Merkel zur letzten und wohl wichtigsten Anstrengung als Kanzlerin. Sie muss gegen die Seuche und für einen Übergang in ihrem Sinne und dem der CDU kämpfen. Beides ist eng miteinander verwoben.

Bei der Durchsetzung einer ihrer Meinung nach erfolgversprechenden Anti-Corona-Politik ist die Kanzlerin mit widerborstigen Länderministerpräsidenten konfrontiert. Ihr Machtsystem ist gefährdet. Während Merkel und ihr Stab, flankiert von allen möglichen akademischen Foren, eine wissenschaftsbasierte Strategie anstreben, kommen aus den Ländern regelmäßig Querschüsse. Nicht nur durch die von SPD, Grünen und Linken geführten Regierungen, sondern oft aus Nordrhein-Westfalen und anderen Ländern wie Sachsen-Anhalt mit Regierungschefs der CDU.

In Düsseldorf regiert mit Armin Laschet ausgerechnet derjenige, der am ehesten geeignet erscheint, eine Politik im Merkel’schen Sinne auch im Berliner Kanzleramt fortzusetzen. Doch will Armin Laschet je dort ankommen, muss er sein dichtbesiedeltes Bundesland erfolgreich entseuchen.

Das bringt ihn naturgemäß in Konflikte zur Bundeskanzlerin. Die Regeln, die sie gern hätte, passen kaum noch zur Lebenswirklichkeit. Kindern die Zahl der Spielgefährten vorzuschreiben oder und über Wochen nur fünf Erwachsenen aus zwei Haushalten private Zusammenkünfte zu erlauben, ist weltfremd.

Laschet versucht, wenigstens Reste rheinischen Frohsinns durch die Pandemie-Zeit zu retten. Weil er dies aber reichlich fahrig und ohne schlüssige Alternativen in der Öffentlichkeit vertritt, muss er in Land und Partei kräftig Federn lassen.

Seinen Rivalen um die Macht in der CDU, Friedrich Merz und Norbert Röttgen, hilft das kaum. Als Beobachter an der Seitenlinie können sie nicht aktiv ins Geschehen eingreifen.

Anders verhält es sich mit CSU-Chef Markus Söder. Da auch Bayern schwer von Corona betroffen ist, schwamm der Ministerpräsident in der ersten Pandemie-Welle auf die Kanzlerin zu. Und blieb an ihrer Seite. Der raffinierte Söder hat aus der Not eine Tugend gemacht. Das lässt Spekulationen ihn als möglichen Merkel-Nachfolger ins Kraut schießen. In bundesweiten Umfragen hat Söder das CDU-Bewerbertrio immerhin schon mal abgehängt.

Wer jetzt aber auf Söder wettet, sollte aber nicht zu viel setzen. Die Versuche der Union, mit CSU-Kandidaten eine Bundestagswahl zu gewinnen, gingen mit Franz-Josef Strauß als auch mit Edmund Stoiber trotz vermeintlicher Erfolgsaussichten schief. Die kühl kalkulierende Angela Merkel wird alles versuchen, einen CDU-Kandidaten durchzudrücken. Um sich vielleicht selbst noch einmal wählen zu lassen: Als UN-Generalsekretärin zum Beispiel.