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Wahlpleite Martin Schulz mit bitterem Rückblick

Im Buch "Die Schulz-Story" lässt der ehemalige SPD-Parteichef seinen Abstieg Revue passieren.

Von Uta Winkhaus, dpa 25.03.2018, 23:01

Berlin (dpa) l Wenn Martin Schulz zurückblickt auf das verrückte Jahr, das hinter ihm liegt, fühlt er sich an „House of Cards“ erinnert, die US-Serie über Macht, Brutalität und Niedertracht in der Politik. Schulz räumt ein, dass er Fehler gemacht habe als Kanzlerkandidat und SPD-Chef, „dumme Fehler“, wie er sagt. Aber er fühlt sich auch als Opfer, als „idealer Sündenbock“, der an seiner eigenen Anständigkeit scheiterte.

So hat es der 62-Jährige dem „Spiegel“-Reporter Markus Feldenkirchen erzählt, der Schulz vor der Bundestagswahl über Monate hinweg begleitet hat. Viele in der SPD waren fassungslos, als der „Spiegel“ Ende September mit seiner „Schulz-Story“ erschien. Selbstzweifel, Hilflosigkeit, Frustration – Schulz hatte dem Autor Einblicke in seine Seelenlage gewährt, wie sie in der Politik bislang beispiellos waren („Die Leute finden mich peinlich. Die lachen doch über mich.“).

Jetzt hat Feldenkirchen nachgelegt. Er hat Schulz bis zum Ende seines Weges begleitet, bis zu jenem kalten Februartag, an dem der SPD-Chef nach Berlin aufbricht, um sein Amt niederzulegen. Die Geschichte, die der Autor für den neuen „Spiegel“ und sein Buch „Die Schulz-Story“ aufgeschrieben hat, zeigt das Bild eines zutiefst erschöpften Mannes. „Gott bin ich müde. So unfassbar müde“, sagte der 62-Jährige da. „Ob ich jemals wieder fit werde, weiß ich nicht.“ Schon der Anfang klingt filmreif. „Entweder du killst ihn, oder er killt dich“, soll ihn Andreas Nahles Anfang 2017 mit Blick auf Sigmar Gabriel gewarnt haben. Der hatte Schulz damals SPD-Vorsitz und Kanzlerkandidatur angeboten, um selbst Außenminister zu werden. Und lag Nahles damit völlig falsch? Als Schulz am Ende der Koalitionsverhandlungen mit der Union nach dem Amt des Außenministers griff, war es Gabriel, der dem einstigen Freund mit seinem Interview über den Mann mit den „Haaren im Gesicht“ den härtesten Schlag versetzte.

Im Rückblick räumt Schulz ein, dass seine Entscheidung für das Auswärtige Amt ein Fehler war, nachdem er den Eintritt in ein Kabinett von Angela Merkel nach der Wahl noch ausgeschlossen hatte: „Ich habe das falsch eingeschätzt mit dieser Glaubwürdigkeitslücke. Komplett falsch eingeschätzt.“ Als Wendepunkt sieht Schulz die Entscheidung der SPD, nach den gescheiterten Jamaika-Sondierungen doch mit der Union über eine erneute Regierung zu verhandeln. „Da hätte ich zurücktreten müssen.“ „Ich war ein glückloser Parteiführer“, bilanziert Schulz. „Ich glaube, ich bin nicht politisch gescheitert, aber sicher teilweise an den Strukturen der Partei zerschellt.“ Die SPD könne gnadenlos sein. „Ich bin der ideale Sündenbock für alles, was die Partei seit Jahren falsch gemacht hat.“

Schulz meint, man habe ihm einen Strick gedreht aus dem Satz, dass er nicht in eine Regierung von Merkel eintreten würde. Dabei sei dieser Satz direkt nach der Bundestagswahl und damit zu einem Zeitpunkt gefallen, als die ganze Partei gegen einen Eintritt in die Regierung gewesen sei. „Jetzt geht die ganze Partei in die Regierung, nur der Parteichef darf es nicht.“ Heute sitzt Schulz als einfacher Abgeordneter im Bundestag. Genauso wie Sigmar Gabriel.