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Bundestagsfraktion Machtkampf der Grünen-Duos

Die Grünen im Bundestag wählen ihre Fraktionschefs neu - es wird spannend. Zwei Duos treten an. Wo liegen die Stärken, wo die Schwächen?

23.09.2019, 23:01

Berlin (dpa) l Bei den Grünen ist ganz oben mehr Platz als in anderen Parteien, das Prinzip der Doppelspitze macht‘s möglich. Doch auf die beiden Chefposten in der Grünen-Bundestagsfraktion gibt es am Dienstag vier Bewerber. Das Duo Hofreiter und Göring-Eckardt will sich im Amt halten, Ex-Parteichef Özdemir hält mit Teamparterin Kappert-Gonther dagegen. Es geht dabei um mehr als für zwei Jahre die Fraktion zu führen. Spätestens im Jahr 2021 wird der Bundestag neu gewählt. Derzeit spricht viel dafür, dass die Grünen dann mitregieren – etwa mit CDU und CSU. Dann gibt es Ministerposten zu verteilen – und die Fraktionschefs sind dann, neben oder hinter den beiden Parteichefs, in der Pole Position.

Fragt man unter den Abgeordneten herum, scheinen Hofreiter und Göring-Eckardt die besseren Chancen zu haben. Überraschungen sind aber nicht ausgeschlossen. 67 Mitglieder hat die Fraktion, 34 Stimmen brauchen die Bewerber, um gewählt zu sein. Einen der beiden Chefposten muss eine Frau innehaben.

Der langjährige Parteichef (53) wollte schon vor zwei Jahren antreten, sondierte die Lage und sagte: „Ich habe erkennbar keine Mehrheit.“ Diesmal lässt der Schwabe es drauf ankommen. Was für ihn spricht: Der Erzieher und Sozialpädagoge ist einer der prominentesten Grünen. Als Gastarbeitersohn, Bildungsaufsteiger und erster Abgeordneter türkischer Herkunft im Bundestag hat er eine Biografie, die Mut machen kann – und sich gut erzählen lässt. Er gilt als exzellenter Redner mit Gefühl für Pointen, hat ein wirtschafts- und außenpolitisches Profil und kann Schwarz-Grün im Bund den Weg ebnen. Was gegen ihn spricht: Die Grünen denken nicht so gern an die Zeit zurück, in der Özdemir die Partei mit Simone Peter geführt hat. Offener Streit und interne Querelen waren an der Tagesordnung. Vielen Parteilinken und selbst manchen vom Realo-Flügel ist er zu pragmatisch-bürgerlich und zu wirtschaftsfreundlich.

Dass die Gesundheitsexpertin aus Bremen gemeinsam mit Özdemir antritt, war eine echte Überraschung. Was für sie spricht: Die gebürtige Marburgerin (52) hat sich in den vergangenen Wochen als zupackende Politikerin mit Leitungserfahrung präsentiert, die neben Özdemir auf keinen Fall eine Nebenrolle spielen will. „Mein Beruf verhilft mir zu einem besonderen Blick“, sagte die Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie der „taz“. Politisch hat sie ein linkes Profil, hält Umverteilung für wichtig – damit könnte sie bei Grünen punkten, die den linken Parteiflügel derzeit für zu defensiv halten. Was gegen sie spricht: Kappert-Gonther zog erst 2017 in den Bundestag ein und fiel bundespolitisch seitdem außerhalb ihres Fachgebiets nicht weiter auf. In der Bremischen Bürgerschaft war sie Vize-Fraktionschefin und führte 2017 die Landesliste – für den engsten bundespolitischen Führungskreis halten Kritiker das für zu wenig.

Kurz nachdem die Herausforderer ihre Bewerbung öffentlich machten, stellte der Bayer klar, dass er nach sechs Jahren an der Fraktionsspitze noch nicht abtreten will. Was für ihn spricht: Markiger Dialekt, in ländlicher Umgebung aufgewachsen, benennt als Biologe mühelos Bäume und Blumen – Hofreiter (49), in der Partei Toni genannt, ist „Öko“ durch und durch, er steht für die Kernthemen der Grünen. Der Parteilinke erntet auf Parteitagen oft donnernden Applaus, wenn er auf der Bühne lospoltert. Was gegen ihn spricht: Fast immer fällt das Stichwort „Außenwirkung“, wenn es um Hofreiters Schwächen geht. Redestil, Auftreten, Erscheinung – so wichtig seine Wirkung nach innen sei, nach außen fehle ihm nun mal die Strahlkraft.

Gemeinsam mit Hofreiter rückte sie 2013 an die Fraktionsspitze – und hat ebenfalls nicht vor, diesen Platz schon jetzt zu räumen. Was für sie spricht: Göring-Eckardt (53) kann netzwerken und sich durchsetzen. 2013 war sie neben Jürgen Trittin Spitzenkandidatin – während er in die zweite Reihe abtreten musste, übernahm sie die Fraktion. Dass sie aus Thüringen kommt, ist vor der Landtagswahl im Oktober ein Pluspunkt für die Tanzlehrer-Tochter, die in Gotha aufwuchs. Sie gehört zum Realo-Flügel, hat aber zu Hause Rot-Rot-Grün mitverhandelt und eher ein Mitte-Image. Ihre enge Verbindung zur evangelischen Kirche wirkt in ein Milieu, in dem die Grünen punkten. Was gegen sie spricht: KGE, wie sie Grünen-intern heißt, ist nicht übermäßig beliebt in der Fraktion. Zu viel Machtinstinkt, zu sehr auf ihren Vorteil bedacht, heißt es, oder auch: zu farblos, nicht leidenschaftlich genug.