Corona Bizarrer Streit

Globaler Fehlalarm? Dunkle Mächte? Jetzt hat sogar ein Mitarbeiter des Innenministeriums den Corona-Kritikern eine Steilvorlage geliefert.

10.05.2020, 23:01

Berlin (dpa/AFP) l Ein Mitarbeiter des Bundesinnenministeriums hat sich in vermeintlich offizieller Mission kritisch zu den Corona-Maßnahmen geäußert - und bekommt jetzt dienstrechtliche Konsequenten zu spüren. Der Mitarbeiter habe „in einem mehrseitigen Dokument unter Verwendung des BMI-Briefkopfs und der dienstlichen Kommunikationskanäle seine kritische Privatmeinung zum Corona-Krisenmanagement der Bundesregierung verbreitet“, erklärte das Haus von Ressortchef Horst Seehofer (CSU) gestern in Berlin. Nun sei sichergestellt, dass er dies nicht fortsetzen könne. Das gut 80 Seiten umfassende Papier soll nach einem Bericht des „Spiegel“ sowohl intern wie extern an einen großen Verteiler gegangen sein.

In dem Papier vertritt der Verfasser die Auffassung, es handle sich beim Umgang mit Covid-19 um einen „globalen Fehlalarm“. Die Gefahr des neuartigen Coronavirus sei „nicht größer als die vieler anderer Viren“. Die von den Behörden angeordneten Maßnahmen richteten mehr Schäden an, als sie nutzten. Der Staat müsse sich in der Corona-Krise womöglich den Vorwurf gefallen lassen, „einer der größten Fakenews-Produzenten“ gewesen zu sein.

Befeuert wird die Debatte auch von etlichen Demons-trationen am Wochenende sowie aufkommenden Verschwörungstheorien. Der Vorsitzende der Innenministerkonferenz (IMK), Thüringens Ressortchef Georg Maier (SPD), kündigte an, das Thema beim nächsten Treffen der Innenminister zu besprechen. Maier zeigte sich alarmiert. „Die Vorstellung, dass die Pandemie bewusst herbeigeführt wurde, um das Volk zu kontrollieren, und dahinter Bill Gates oder andere vermeintlich finstere Mächte stecken, reicht bis weit in die Mitte der Gesellschaft“, sagte er. Auch die Demonstrationen auf den Straßen bereiten dem IMK-Vorsitzenden Sorgen. „Wenn Menschen Kritik üben, ist das selbstverständlich in Ordnung“, sagte Maier. „Was uns alarmiert, ist der Versuch von Extremisten, die Proteste zu kapern.“

In mehreren deutschen Städten haben am Samstag Tausende gegen die Einschränkungen zur Eindämmung der Infektionen protestiert. Mehr als 500 Demonstranten protestierten in Frankfurt. Sie zogen mit Transparenten durch die Innenstadt und riefen: „Legt den Maulkorb ab“, „Schließt Euch an“ und „Widerstand“. In Berlin wurde der bekannte Vegan-Koch Attila Hildmann von der Polizei abgeführt. Unter den Demonstranten waren auch Reichsbürger. In Stuttgart waren mehrere Tausend Menschen unterwegs. Hinter dem Protest steht eine Initiative namens „Querdenken“. Kritiker befürchten eine Vereinnahmung durch Verschwörungstheoretiker und Rechtspopulisten. Auf einer Demo in Gera mit dabei war auch Thüringens Kurzzeit-Ministerpäsident Thomas Kemmerich (FDP). FDP-Chef Christian Lindner kritisierte das.

Der CDU-Innenexperte Armin Schuster rief zur inhaltlichen Auseinandersetzung mit Corona-Protestgruppen wie „Nicht ohne uns“ oder „Widerstand 2020“ auf. „Diese Gruppen als Spinner abzutun, greift mir zu kurz“, sagte er. „Wir müssen sie mit ihrem Unsinn politisch stellen und als Saboteure unseres weltweit beachteten Infektionsschutzerfolgs entlarven.“ Schuster, der auch Vorsitzender des Bundestagsgremiums zur Kontrolle der Geheimdienste ist, verlangte von den Sicherheitsbehörden Aufklärung, inwieweit rechte und linke Gruppierungen die Bewegungen unterwandern und für ihre verfassungsfeindlichen Ziele instrumentalisieren. Unter den Protestierenden sind auch Impfgegner.

Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) sagte: „Das Gefährliche daran ist, dass diese Leute mit ihren kruden Thesen auch Menschen erreichen, die eigentlich fest auf dem Boden des Grundgesetzes stehen – die lassen sich dann für die Verbreitung von Verschwörungstheorien instrumentalisieren.“

Mehrere katholische Bischöfe, unter ihnen der deutsche Kardinal Gerhard Ludwig Müller, sprachen in einem Aufruf vom „Auftakt zur Schaffung einer Weltregierung, die sich jeder Kontrolle entzieht“. Es gebe offenbar Kräfte, die daran interessiert seien, in der Bevölkerung Panik zu erzeugen. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing aus dem Bistum Limburg, distanzierte sich von dem Aufruf. Die Bewertung der Corona-Pandemie durch die Bischofskonferenz unterscheide sich „grundlegend“ davon. Meinung