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DDR Treuhand-Geschichte stärker untersuchen

Tausende DDR-Betriebe wurden von der Treuhand in den 1990er Jahren vor allem an Westdeutsche verkauft oder kurzerhand geschlossen.

20.08.2019, 23:01

Erfurt (dpa) l Fehler bei der schnellen Privatisierung und Schließung von DDR-Betrieben in den 1990er Jahren haben nach Einschätzung von Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) negative Auswirkungen bis heute. Trotz der in vielen Teilen guten wirtschaftlichen Entwicklung der ostdeutschen Bundesländer könnten die Menschen kaum Stolz auf das Geleistete entwickeln, sagte Ramelow am Dienstag in Erfurt der Deutschen Presse-Agentur. Er sprach von einer gesellschaftlichen Entwurzelung, die auch aus der Massenarbeitslosigkeit nach dem Zusammenbruch der DDR-Wirtschaft resultiere. Zudem sei den Menschen suggeriert worden, vieles, wofür sie gearbeitet hatten, sei Schrott.

Ramelow: "Die Menschen konnten nicht erhobenen Hauptes in die Veränderungen gehen." Thüringens Regierungschef und der ehemalige Bundestagsfraktionschef der Linken, Gregor Gysi, eröffneten eine Ausstellung der Rosa-Luxemburg-Stiftung unter dem Titel "Schicksal Treuhand – Treuhand-Schicksale". Die Stiftung steht der Linken nahe. In der Schau kommen Zeitzeugen zu Wort, deren Lebensweg durch Treuhandentscheidungen maßgeblich beeinflusst wurde.

Als Synonym für eine verfehlte Treuhand-Politik stehe bis heute die Schließung der thüringischen Kali-Grube Bischofferode, sagte Ramelow bei der Eröffnung, zu der ehemalige Bergleute kamen. Über Wochen hatten die Kumpel 1993 mit einem Hungerstreik dagegen angekämpft – letztlich erfolglos, obwohl es einen mittelständischen Interessenten für das Kali-Werk gab.

Es sei wichtig, sich auch 30 Jahre nach dem Mauerfall noch mit der Arbeit der Treuhandanstalt zu beschäftigen, sagte Ramelow. Er unterstützte den Vorstoß der Bundestagsfraktion der Linken, einen Treuhand-Untersuchungsausschuss einzusetzen. Bei der weiteren, auch wissenschaftlichen Untersuchung der Treuhandarbeit wünschte er sich, "dass die ostdeutsche Sicht dabei eine stärkere Rolle spielt". Seiner Meinung nach gehe es heute nicht mehr um eine kriminologische, sondern um eine soziologische Aufarbeitung der Ereignisse in den 1990er Jahren.

Gysi sagte, ein grundsätzlicher Fehler sei gewesen, die Treuhand dem Finanz- und nicht dem Wirtschaftsministerium zu unterstellen. "Es gab keinen Anreiz zum Erhalt von Betrieben." Die Massenarbeitslosigkeit habe zum Wegzug vieler jungen Leute geführt. Jetzt laufe Ostdeutschland Gefahr, "eine Rentnergesellschaft zu werden".

Die Schau soll als Wanderausstellung auch in den anderen ostdeutschen Bundesländern gezeigt werden. Nächste Stationen sind Dresden (3.-25.9.19) und Crimmitschau (30.9.-28.10.19). Die Treuhandanstalt hatte den Auftrag, die DDR-Betriebe durch Privatisierung in die Marktwirtschaft zu bringen.