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Erzfeinde Kaschmir ist seit 70 Jahren Zankapfel

Seit einem Anschlag gehen die beiden Atommächte Indien und Pakistan auf Konfrontationskurs. Durch Luftangriffe spitzt sich der Konflikt zu.

28.02.2019, 23:01

Islamabad/Neu Delhi (dpa) l Seit einem Anschlag in Kaschmir vor zwei Wochen gehen die beiden Atommächte Indien und Pakistan auf Konfrontationskurs. Durch Luftangriffe beider Seiten spitzte sich der Konflikt zu. Nun kündigte Pakistans Premierminister Imran Khan als "Geste des Friedens" an, einen am Mittwoch festgesetzten Piloten der indischen Luftwaffe am Freitag freizulassen. Eine Entspannung scheint möglich, aber längst nicht sicher. Ein Überblick:

Was hat die aktuelle Eskalation ausgelöst?
Ein junger Mann aus dem indischen Teil Kaschmirs hatte dort am 14. Februar mit einem Auto, das mit etwa 350 Kilogramm Sprengstoff beladen war, einen Bus in einem Konvoi der indischen paramilitärischen Polizeitruppe CRPF gerammt. 40 Sicherheitskräfte kamen ums Leben. Es war der tödlichste Angriff auf indische Sicherheitskräfte in Kaschmir seit Beginn des Aufstandes von Separatisten und Islamisten vor 30 Jahren.

Die aus Pakistan stammende Terrorgruppe Jaish-e-Mohammed, seit vielen Jahren in Indien aktiv, reklamierte den Anschlag für sich. Indien machte Pakistan für den Anschlag verantwortlich, Pakistan lehnte dies ab. Am Dienstag erklärte Neu-Delhi, es habe ein Ausbildungslager der Jaish-e-Mohammed in Pakistan angegriffen. Es war das erste Mal seit 1971, dass die indische Luftwaffe einen Angriff auf pakistanischem Gebiet flog. Pakistan schoss tags darauf nach eigenen Angaben am Mittwoch zwei indische Kampfflugzeuge ab und setzte den Piloten fest.

Welche Rolle spielt der Streit um Kaschmir?
Nach dem Ende der britischen Herrschaft über den Subkontinent im Jahr 1947 und der Spaltung Britisch-Indiens in Indien und Pakistan blieb der Status des Fürstenstaates Jammu und Kaschmir zunächst offen. Sowohl Indien als auch Pakistan beanspruchten das Himalaya-Tal Kaschmir für sich. Sie führten 1947 und 1965 Kriege um das Gebiet. Bei einem dritten Krieg im Jahr 1971 ging es um die Unabhängigkeit Bangladeschs von Pakistan. Beide Länder beherrschen jeweils einen Teil von Kaschmir.

Mit dem Anschlag am 14. Februar hatte die aktuelle Eskalation der Spannungen erneut ihren Ursprung in Kaschmir. Solange dort Gewalt herrscht, ist eine dauerhafte Entspannung der Beziehungen zwischen Indien und Pakistan nicht in Sicht.

Könnte es zum Einsatz der Atomwaffen der beiden Länder kommen?
Für beide Seiten dient das Nukleararsenal vor allem der Abschreckung des jeweils anderen. Das dürfte ein wichtiger Grund sein, warum es bislang zu keinem vierten Krieg zwischen den beiden Erzfeinden kam, nachdem Indien 1988 und Pakistan ein Jahrzehnt später erstmals Atomwaffen testeten. Weder Gefechte im Bezirk Kargil in Kaschmir 1999 noch die Spannungen nach dem Angriff pakistanischer Terroristen auf das indische Parlament 2001 führten zu Kriegen.

Wie wirkt sich die bis Ende Mai anstehende Parlamentswahl in Indien auf den Konflikt aus?
Khan warf Indiens Premierminister Narendra Modi in den vergangenen Tagen mehrmals vor, den Konflikt zum Zweck des Wahlkampfs zu nutzen. Tatsächlich stand Indiens Regierung um die hindu-nationalistische Partei BJP von Modi nach dem Anschlag in Kaschmir unter Druck, Stärke zu zeigen. In sozialen wie traditionellen Medien wurde Vergeltung gefordert. Entsprechend wurden der indische Luftangriff in Pakistan und auch die Ankündigung der Freilassung des Piloten mit patriotischem Eifer gefeiert.

Es wurde auch Kritik daran laut, dass Modi trotz der aktuellen Ereignisse seine geplanten Wahlkampfauftritte wahrnahm und sich nicht an das Volk wandte. Die Führungen von 21 Oppositionsparteien warfen ihm in einer gemeinsamen Erklärung eine „eklatante Politisierung der Opfer, die unsere Streitkräfte gebracht haben“, vor.

Kann man Pakistan für den Anschlag in Pulwama verantwortlich machen?
Pakistan weist darauf hin, dass es Jaish-e-Mohammed im Jahr 2002 verboten habe, nachdem die Gruppe im Jahr davor das indische Parlament angegriffen hatte. Laut der Denkfabrik International Crisis Group ging der Staat zwar gegen einzelne Jaish-e-Mohammed-Mitglieder vor, die Organisation operiere jedoch weiter frei. Das freizügige Umfeld, das Pakistan für Jaish-Aktivitäten in Indien geschaffen habe, könne als bewusste Politik gesehen werden – ungeachtet dessen, ob bewiesen werden könne, dass bestimmte Angriffe der Gruppe mit der pakistanischen Entscheidungsfindung in Zusammenhang stünden.