Landtagswahlen Hochspannung im Osten

Die Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg dürften entscheidend für die Bundespolitik sein. Kommen CDU und SPD mit blauem Auge davon?

29.08.2019, 23:01

Berlin (dpa) l Es droht eine historische Premiere mit Schockwirkung, wenn am 1. September in Sachsen und Brandenburg gewählt wird. Erstmals könnten die Rechtspopulisten von der AfD in zwei Bundesländern Landtagswahlen gewinnen –und eine Regierungsbildung der etablierten Parteien extrem erschweren. In den Zentralen der Berliner Koalitionspartner CDU und SPD wuchs in den vergangenen Wochen allerdings die Hoffnung, dass die beiden führenden Regierungsparteien trotz Verluste weiterhin den Ministerpräsidenten stellen können.

In Sachsen regiert die CDU mit Ministerpräsident Michael Kretschmer, in Brandenburg die SPD mit Dietmar Woidke. Während sich dort die SPD in Umfragen ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit der AfD liefert, konnte sich die CDU in Sachsen von den Rechtspopulisten etwas absetzen. Nachdem die Spitzen von CDU und SPD im Bund sich zunächst wegen interner Konflikte nur mit eingeschränkter Kraft in den Wahlkampf eingeschaltet hatten, engagieren sie sich im Endspurt stärker. Die Union konzentriert sich dabei auf Sachsen, die SPD auf Brandenburg.

Doch selbst wenn CDU und SPD bei den Landtagswahlen mit einem blauen Auge davonkommen, dürfte der dauerhafte Siegeszug der Rechtspopulisten in Ostdeutschland im Ausland mit Argwohn beobachtet werden. Die Wirtschaft befürchtet schon Wettbewerbsnachteile.

Nicht unwesentlich ist, dass mit Wahlerfolgen in Sachsen, Brandenburg und am 27. Oktober in Thüringen Vertreter des völkisch-nationalen „Flügels“ innerhalb der AfD bundesweit an Einfluss gewinnen könnten. Im Zentrum steht der Thüringer AfD-Chef und Rechtsaußen Björn Höcke. Auch der brandenburgische AfD-Spitzenkandidat Andreas Kalbitz gilt als Vertreter des „Flügels“, der sächsische Spitzenkandidat Jörg Urban bekennt offen Sympathie für die Gruppierung. Bereits seit ihrer Gründung 2013 verzeichnet die AfD beachtliche Wahlerfolge. Seit 2016 ist sie in Sachsen-Anhalt zweitstärkste Kraft (24,3 Prozent), ebenso in Mecklenburg-Vorpommern (20,8). Zur stärksten Kraft schaffte sie es auf Landesebene bisher nicht.

Warum der AfD-Höhenflug? Eine „ungute Grundstimmung“ hat der frühere Brandenburger Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) in Teilen Ostdeutschlands ausgemacht. Der Chef der Kommission 30 Jahre Deutsche Einheit beschreibt es: „Zusammenbruch nach 1990, Finanzkrise 2008 und Flüchtlingskrise 2015, alles in einer Generation.“ Bei nicht wenigen Menschen habe sich das Gefühl ausgebildet, der Staat, von dem sie das erwarten, habe nicht mehr alles im Griff und schütze sie nicht mehr, sagte er.

Die AfD verärgert die etablierten Parteien mit Wahlkampfslogans in Anlehnung an die Zeit der DDR-Bürgerrechtsbewegung. „Vollende die Wende“, proklamiert die Partei. „Mir dreht sich der Magen um“, sagte Woidke dazu. Doch es könnte gut sein, dass sich viele Wähler nicht stören an der „Verlogenheit“, wie es die kommissarische SPD-Chefin Manuela Schwesig nannte.

In Sachsen machte wochenlang Ex-Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen Schlagzeilen – bis er kürzlich ankündigte, sein Engagement dort einzustellen, nachdem Kretschmer ihn kritisiert hatte. Zuvor hatten sich sächsische CDU-Wahlkämpfer gern mit dem umstrittenen Mitglied der ultrakonservativen Splittergruppe Werteunion gezeigt. Für seine Kritik an der Migrationspolitik der Kanzlerin und seine sicherheitspolitischen Thesen erhält Maaßen gerade im Osten Beifall. Zwei Wochen vor dem Wahltag verschaffte CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer ihm in einem Interview ungewollt Rückenwind. Auf die Frage nach einem möglichen Verfahren zum CDU-Ausschluss Maaßens antwortete sie: „Sie sehe bei Herrn Maaßen keine Haltung, die ihn mit der CDU noch wirklich verbindet“.

Auch CDU-Bundesvorstandsmitglieder kritisierten Kramp-Karrenbauer dafür heftig und warfen ihr hinter vorgehaltener Hand vor, sie habe nur der AfD genutzt. Auch die Kanzlerin hält sich im Wahlkampf wie schon bei der Europawahl zurück. Zwar erhält sie am Tag vor den Wahlen in Leipzig die Ehrendoktorwürde der dortigen Handelshochschule. Doch klassische Wahlkampfauftritte bestreitet sie nicht. Auch beim Wahlkampfabschluss mit Kretschmer in Leipzig ist sie nicht dabei. Aus Berlin kommt Kramp-Karrenbauer. Für die CDU dürfte es da ein Defizit sein, dass sie den Kanzlerinnenbonus nicht ausspielen kann. Der Wahlkampf sei eben Sache der neuen Parteiführung.

Zwar wird in der CDU-Spitze damit gerechnet, dass sich die Auswirkungen der Landtagswahlergebnisse auf die Bundespartei in engen Grenzen halten. Aber falls die AfD vorne liegen sollte, dürften sich jene in der CDU bestärkt sehen, die Kramp-Karrenbauer für eine Fehlbesetzung halten. Etwas Luft könnte es AKK verschaffen, wenn Kretschmer die AfD auf Abstand halten und sein Regierungsamt womöglich in einer sogenannten Kenia-Koalition zusammen mit SPD und Grünen wie in Sachsen-Anhalt retten kann. Auch in der CSU heißt angesichts eines möglichen Rückzugs der SPD aus der Regierung Ende des Jahres und einer womöglich schon im Frühsommer 2020 anstehenden vorgezogenen Neuwahl das Motto: Nichts tun, was AKK destabilisiert.