1. Startseite
  2. >
  3. Deutschland & Welt
  4. >
  5. Politik
  6. >
  7. Die ostdeutsche Mutmacherin

Polittalk Die ostdeutsche Mutmacherin

Familienministerin Giffey ist zu einer der populärsten Politikerinnen avanciert. Warum, wird bei einer Gesprächsrunde in Schönebeck klar.

Von Steffen Honig 18.04.2019, 01:01

Schönebeck l Nach anderthalb Stunden neigt sich der Talk im „Weltrad“-Quartier dem Ende zu. Da macht es Roger Stöcker, Chef der Salzlandkreis-SPD, spannend: „Was kann ich tun, damit Du Kanzlerkandidatin der SPD wirst?“, will er von Franziska Giffey wissen.

Die Ministerin antwortet artig, dass sie erst einmal das mache, was ansteht. Dies sei der Job der Bundesfamilienministerin.

Doch die Frage steht nicht grundlos im Raum. Schließlich erfreut sich die freundlich-forsche Bundesministerin aus Frankfurt an der Oder eines hohen Beliebtheitsgrades. „Alles Weitere kommt schon“, wiegelt Giffey ab.

Ton und Auftreten unterscheiden sich schon mal angenehm vom mitunter ruppigen Funktionärsstil einer Andrea Nahles, die als SPD-Chefin den ersten Zugriff auf die Kandidatur hätte. Nahles bewegt sich allerdings seit Jahren in politischen Gipfelhöhen, während Giffey noch im Steilhang zu tun hat.

Inhaltlich erweist sie sich in Schönebeck, wohin sie Landessozialministerin Petra Grimm-Benne, ebenfalls SPD, zur Gesprächsrunde eingeladen hat, als sattelfest. Kita, Pflege, Jugendhilfe, Unterhalt – Giffey steht im Stoff. Als Hauptziel bezeichnet sie in die Weiterführung des „Gute-Kita-Gesetzes“ über die Legislaturperiode hinaus.

Wo derzeit keine Lösungen absehbar sind, gibt sie das auch ohne Umschweife zu. Gordon Schüler, Vorsitzender der Landeselternvertretung für den Kita-Bereich, beklagt etwa, dass die Einbeziehung der Eltern-Bevollmächtigten bei der Reform des SGB VIII ungenügend sei.

Giffey erklärt, ihr Ministerium würde weiter Meinungen zur Neuregelung des Kinder- und Jugendhilferechts sammeln. Daran könne sich jeder beteiligen – auch im Internet. 2020 solle alles in Gesetzesform gegossen werden.

Eine Besucherin will wissen, was die Ministerin mit ihrer angekündigten Reform des Unterhaltsrechts beabsichtigt. Sie wittert unberechtigte Vorteile für Väter.

Giffey darauf: „Unser Unterhaltsrecht entspricht dem Familienbild der 50er Jahre.“ Das solle sich ändern. Es gebe immer mehr Mütter und Väter, die sich nach einer Trennung gemeinsam um das Kind kümmern und nicht nur zahlen wollten. Beim Unterhalt wolle sie stärker ins Auge fassen, wer überhaupt zahlen könne. „Wenn aber ein Benz vor der Tür steht und jemand nicht zahlen will , müssen wir ran.“ Sie preist auch die Ergebnisse der SPD-Familienpolitik, wie den neuen Kinderzuschlag: „200 Euro Kindergeld im Monat – da bekommen die europäischen Nachbarn Schnappatmung.“

Franziska Giffey hatte zuvor in Köthen die Gründung der 300. „Partnerschaft für Demokratie“ in Deutschland begleitet und das Bildungszentrum für Gesundheitsberufe in den Magdeburger „Pfeifferschen Stiftungen“ besucht. Von der Motivation der jungen Leute dort zeigt sie sich begeistert: „Das ist der Goldstaub des Jahrhunderts.“ Die Herausforderungen seien gewaltig, denn „Pflege ist mehr als sauber und satt“.

Ihre eigene Rolle in der Bundesregierung nennt Giffey „exotisch“: Sie sei die einzige Kommunalpolitikerin und die einzige Ostdeutsche. So verortet sie sich weiterhin, obwohl sie jahrelang im Berliner Westen Politik gemacht hat. Die Ministerin ermuntert die Ossis zu mehr Mut beim Ringen um zu besetzende Führungspositionen. Von den 30 Dax-Vorständen seien gerade mal 6 Prozent Frauen – und gar nur 2 Prozent Ostdeutsche. „Das kann 30 Jahre nach dem Mauerfall nicht sein.“