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Fazit Drei Monate E-Tretroller - Segen oder Fluch?

Die E-Scooter sollten den Straßenverkehr revolutionieren. Davon sind sie weit entfernt. Probleme gibt es vor allem in Großstädten.

14.09.2019, 23:01

Berlin (dpa) l Begeistert sind vor allem junge Touristen. Bei vielen anderen überwiegen Skepsis und Kritik. Auch die Unfallzahlen sind hoch. Drei Monate nach der Erlaubnis für die neuen E-Tretroller für Deutschland am 15. Juni wächst der Widerstand. dpa beantwortet die wichtigsten Fragen nach der ersten deutschen E-Scooter-Sommersaison.

Wie viele E-Tretroller gibt es inzwischen bundesweit?

Die Zahl ist schwer zu bestimmen. Nicht alle Verleiher machen dazu Angaben. In Berlin stehen 9000 E-Scooter von mindestens fünf Firmen zum Verleih bereit. In Hamburg und München sind es jeweils etwa 3000, in anderen Großstädten ebenfalls einige tausend. Dazu kommen Hunderte Roller in mittelgroßen Städten. Die schwedische Firma Voi will in Kürze in 30 bis 35 deutschen Städten vertreten sein. In ganz Deutschland dürften also inzwischen einige zehntausend Leihroller auf den Straßen stehen. Weitere Roller werden privat genutzt.

Wo und von wem werden die Roller vor allem benutzt?

Die Roller stehen besonders in den Innenstädten und den angrenzenden Gebieten, wo viele Menschen unterwegs sind und die Verleiher auf zahlreiche Kunden hoffen. In den Großstädten sind es meist die Stadtteile, die bei jüngeren Leuten und Touristen beliebt sind. Nur wenige Außenbezirke gehören zu den Geschäftsgebieten.

Wie strikt beachten Rollerfahrer die Verkehrsregeln?

Öfter sieht man Menschen, die einen E-Scooter zu zweit benutzen oder betrunken sind. Auch dass viele Fahrer in Fußgängerzonen und auf Fußwegen unterwegs sind, sorgt für Ärger. Fußgänger- und Behindertenverbände beschwerten sich. Die Polizei reagierte mit Kontrollen. In München wurden in 900 Fällen Fahrer von E-Tretrollern erwischt, die betrunken waren oder Drogen genommen hatten. In Mannheim und Heidelberg stellte die Polizei in 7 Tagen 233 Verstöße fest. Ein Polizeisprecher in Mannheim sagte: "Alles, was man falsch machen kann, wird auch falsch gemacht." In Berlin stoppte die Polizei in einer Nacht in einem Kneipenviertel zwölf betrunkene Fahrer.

Wie gefährlich sind die Roller?

Ungeübte oder angetrunkene Fahrer verlieren mit den wackligen Fahrzeugen und ihren kleinen Rädern schnell das Gleichgewicht. Gesicherte Unfallzahlen, die einen Vergleich mit Radfahrern erlauben, gibt es aber noch nicht. Die Berliner Polizei hatte nach einem Monat 21 Verkehrsunfälle mit 4 Schwer- und 15 Leichtverletzten registriert. Meistens waren die Rollerfahrer schuld. So verletzte sich ein 26-jähriger Schwede, als er mit 2,2 Promille stürzte.

Chefarzt Christian Kühne von der Hamburger Innenstadt-Klinik St. Georg sagte: "In den vergangenen beiden Monaten haben wir in unserer Klinik mehr Verletzte durch E-Scooter-Unfälle behandelt als Verletzungen durch Fahrradunfälle." In München registrierte die Polizei bis Anfang September mehr als 40 Scooter-Unfälle. In Köln wurden laut Polizei 55 Unfälle mit E-Scootern gezählt.

Die Verleihfirma Voi gibt zu: "Vor allem junge Nutzer, die noch keine Führerscheinprüfung gemacht haben, gehen oft verantwortungslos mit den E-Scootern um." Helfen soll eine bundesweite Sicherheitskampagne. Mit Blick auf die Sicherheit hat der TÜV-Verband Blinker für E-Tretroller gefordert – und eine Helmpflicht.

Wie störend sind die abgestellten Roller?

Neben den Leihfahrrädern stehen in den Großstädte nun auch überall die E-Roller herum. Einige Städte basteln bereits an Gegenstrategien. In Berlin sollen ab dem nächsten Jahr Parkflächen am Straßenrand für E-Scooter und Leihräder reserviert werden. Düsseldorf will die Vermietung ab 2020 als Sondernutzung einstufen, Roller dürfen nicht mehr in Fußgängerzonen, Parks oder auf Spielplätzen abgestellt werden. Die Verleiher müssen falsch abgestellte Roller beseitigen. Andere Städte wie Hamburg, München oder Dortmund haben kaum Probleme.

Wie sieht die Umweltbilanz der E-Roller aus?

Statt mit dem Auto zu fahren, sollten die Menschen in den Städten die neuen E-Roller in Kombination mit Bussen und Bahnen nutzen. Das war das Argument der Verleihfirmen und der Wunsch von Verkehrspolitikern. Drei Monate später sind viele ernüchtert, auch angesichts der eher hohen Preise für die Rollermiete von bis zu 20 Cent pro Minute.

Das Umweltbundesamt stellte fest: "Die gefahrenen Strecken sind meist sehr kurz und können regelmäßig auch zu Fuß, mit Bus, Bahn oder Fahrrad bewältigt werden." Besser wäre es, wenn Leihroller in den Außenbezirken stünden, weil die Strecken zur nächsten Haltestelle dort länger seien. Nach ersten Zahlen aus Berlin werden die Roller vor allem für Wege bis zu zwei Kilometern genutzt. Der Fahrradverband ADFC schrieb: "Wir hatten die Hoffnung, dass E-Scooter auch mal dazu benutzt werden, zum Bäcker zu surren oder ins Büro. Und dass dafür das Auto stehen bleibt." Das sei aber nicht eingetreten.

Was geschieht mit den Rollern im Winter?

Einige Vermieterfirmen wollen ihre Roller auch in den Wintermonaten draußen lassen. "Bisher ist keine Winterpause geplant. Solange die Nutzer mit den Scootern fahren, haben sie die Möglichkeit dazu", teilte die schwedische Firma Voi mit. "Wir gehen davon aus, dass sie auch im Winter fleißig gefahren werden." In Skandinavien habe es auch im Winter "eine hohe Nachfrage" gegeben.

Wie sehen die Erfahrungen im Ausland aus?

Die Pariser Bürgermeisterin forderte neue Gesetze, um die Nutzung der E-Tretroller besser zu regeln. Madrid begrenzte die Zahl der Lizenzen. Die Roller dürfen nicht mehr auf Bürgersteigen, den meisten Straßen oder den Busspuren benutzt werden. Erlaubt sind sie noch auf Radwegen und zum Teil in Tempo-30-Zonen. Mailand forderte die Verleiher im August auf, ihre Fahrzeuge binnen drei Tagen einzusammeln – die Tretroller sollen bis auf weiteres aus dem öffentlichen Raum verbannt werden. Tel Aviv drohte den Verleihfirmen mit Lizenzentzug. Sie müssten dafür sorgen, dass die Fahrer sich an die Verkehrsregeln halten.

Was plant Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU)?

Die Erlaubnis für die E-Roller werde von der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) über einen Zeitraum von drei Jahren wissenschaftlich begleitet und evaluiert, teilte das Ministerium mit. Ende 2020 soll ein erster Zwischenbericht zu Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit vorgelegt werden.