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Fremdenhass Stimmung in Cottbus auf der Kippe

Immer mehr Flüchtlinge und eine große rechte Szene treffen in Cottbus aufeinander. Der Zuzug von Asylsuchenden soll eingeschränkt werden.

24.01.2018, 23:01

Cottbus (dpa) l Die geballte Wut zwischen Einheimischen und Ausländern entlädt sich an den schönen Ecken von Cottbus. Nicht in den Teilen, wo sich Plattenbau an Plattenbau reiht – wo sich einem ein trister Eindruck von Brandenburgs zweitgrößter Stadt aufdrängen mag. Nein, es sind Plätze mitten in der Innenstadt, seit der Wende mit Millionenförderung hübsch hergerichtet. Wo es Touristen hinzieht und es schicke Wohnungen gibt. Wo es zum Shoppen geht und Cafés liegen. Das sind zurzeit Schauplätze grässlicher Auseinandersetzungen zwischen Deutschen und Ausländern.

Attacken von Deutschen auf Flüchtlinge und umgekehrt – immer und immer wieder. Seit Monaten schon, aber im Januar in konzentrierter Form. Die Stimmung in der 100.000-Einwohner-Stadt ist aufgeladen. Es gibt Rangeleien, Messer werden gezogen, Reizgas, „Ausländer raus“-Rufe.

Es gelingt einigen Deutschen sogar, in eine Flüchtlingsunterkunft einzudringen und dort auf Flüchtlinge loszugehen. Tage später dann ein Angriff von drei jugendlichen Flüchtlingen auf ein Ehepaar vor einem Einkaufszentrum.

Das brandenburgische Innenministerium zieht Konsequenzen: Nach Cottbus sollen zunächst keine Flüchtlinge mehr aus der Zentralen Erstaufnahmeeinrichtung verteilt werden. Zudem habe Cottbus seine Aufnahmequote mehr als erfüllt, erklärte Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) am Dienstag. Ende 2013 lebten gut 2300 Ausländer hier, wie die Stadtverwaltung mitteilt. Ende 2017 seien es 8477 gewesen. Der Anteil der Menschen mit Fluchtbiografie liege bei 50 Prozent. Außerdem sollen jetzt 30 bis 40 zusätzliche Sozialarbeiter die Flüchtlinge unterstützen.

Am Wochenende versammelten sich rechtsgerichtete Demonstranten an dem besagten Einkaufszentrum. Journalisten wurden dabei angegriffen. Kundgebungen gegen die Ausländerpolitik hatte es schon länger in der Innenstadt gegeben – aber hier waren es besonders viele Teilnehmer. Die Veranstalter sprachen im Internet von 2500. In der Nähe dieses Schauplatzes betreibt Herr Hamcho ein Lebensmittelgeschäft mit ausländischen Produkten. Der Syrer bedauert, dass jugendliche Flüchtlinge Deutsche angegriffen haben. Die Kämpfe zwischen Deutschen und Ausländern seien unter vielen ausländischen Familien in der Stadt ein Thema. Über die Stimmung sagt er, dass viele ausländische Familien nun Angst hätten. Die Polizei erhöhte rund um das Einkaufszentrum ihre Präsenz. Immer wieder hört man dieser Tage die Befürchtung, dass Cottbus ein zweites Pegida-Dresden werden, die Stimmung in der Lausitzstadt kippen könnte. Der Dresdner Politologe Werner Patzelt sagt: „Es gibt Parallelen, aber es gibt auch Unterschiede.“ In Dresden sei es um dasselbe gegangen: Reale Probleme einer Einwanderungsgesellschaft, bei der sich die Bevölkerung in sehr kurzer Zeit in sehr auffälliger Weise verändert. Das, was in Dresden aber noch Sorge vor der Zukunft gewesen sei, entzünde sich in Cottbus an inzwischen gegenwärtigen Problemen.

Warum spielen sich diese Szenen ausgerechnet in Cottbus ab, wo die AfD bei der Bundestagswahl im Herbst bei den Zweitstimmen stärkste Kraft mit gut 24 Prozent wurde? Patzelt sagt: „Ich glaube, das ist hochgradig zufällig.“ Hier verketteten sich mehrere Faktoren: In einer bisher eher friedlichen Stadt ereigneten sich spektakuläre gewalttätige Szenen, die das Tagesgespräch prägen. Eine starke rechte Szene mache sich solche Vorkommnisse politisch zunutze. Und: Es handele sich um eine Gegend Deutschlands, die – anders als Frankfurt oder Berlin – solche Geschehnisse nicht als Alltagsnormalität kenne. Folglich gewinne die Sache weitere Dynamik, so der Politologe. Brandenburgs CDU-Landeschef Ingo Senftleben ist besorgt. Er befürchte, dass sich in Cottbus und der Lausitz ein politischer „Flächenbrand“ entzünden könnte. Die AfD versuche zusammen mit Initiativen wie „Zukunft Heimat“, die die Demonstration am Wochenende initiiert hatte, oder Pegida das Bild zu vermitteln, die Bewegung gegen Ausländer werde immer größer.