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Fußballsticker Fans suchen ihr Glück in Päckchen

Eine Weltmeisterschaft ohne Panini-Sticker? Kaum vorstellbar, zumindest für viele deutsche Fans.

27.05.2018, 14:17

Hamburg (dpa) l Die kribbelnde Ungewissheit, der Reiz des Seltenen, die Euphorie der Vollständigkeit: Pünktlich zur Weltmeisterschaft ist Deutschland vom "Panini-Sammelfieber" befallen. Für viele sind die bunten Sticker ein fester, unerlässlicher Bestandteil des Turniers, vergleichbar mit dem Public-Viewing oder den wehenden Deutschlandfahnen am Auto. Tatsächlich wird in keinem anderen europäischen Land so energisch gesammelt wie in Deutschland.

Vor allem die WM 2006 im eigenen Land soll das Sammelfieber der Deutschen kräftig beflügelt haben. "Diese von Grund auf positive Stimmung in der Bevölkerung, die ganze Familien mitgerissen hat – davon hat Panini auch profitiert", sagt Christine Fröhler, Pressesprecherin von Panini Deutschland, die nach eigenen Angaben selbst schon als Kind im Lebensmittelladen ihrer Oma Panini-Sticker als Belohnung für das Aushelfen bekommen hat.

Die Geschichte steht sinnbildlich für das, was den Reiz der Bilder für viele Menschen auszumachen scheint. In einer sich stetig ändernden Welt hat Panini mit seinen Stickern eine analoge Konstante geschaffen - aller Regeländerungen, Digitalisierungen und Fifa-Skandale zum Trotz. Die Belohnung für eifrige Sammler waren seit den 60ern volle Hefte, die Geschichten erzählten: Von Stickern, die ihre Spieler überlebten, von schmerzhaften Niederlagen und großartigen Siegen, die Legenden gebaren. 

"Mit diesem Konzept hat Panini das "Jagen und Sammeln" in die Moderne gerettet", sagt Christine Fröhler. Und auch wenn die Firma keine genauen Verkaufszahlen bekannt gibt, gehen in Deutschland voraussichtlich auch in diesem Jahr wieder Millionen Sammelbilder über die Ladentheken. Doch während der Zuspruch für die bunten Sticker von Turnier zu Turnier zu wachsen scheint, werden mit der Zeit auch kritische Stimmen immer lauter.

Zum Einen beklagt eine Vielzahl von Sammlern die steigenden Päckchenpreise. Ein Tütchen mit fünf Bildern kostet mittlerweile neunzig Cent, in jedes Album passen 682 Aufkleber. Laut Professor Harper von der Cardiff University muss ein Sammler im Schnitt 967 Panini-Tüten kaufen, um sein Album vollzubekommen. Das entspräche also einem Gesamtpreis von 870,30 Euro. Ein volles Panini-Album: So teuer wie ein Pauschalurlaub – was vor allem für die jüngeren Sammelfans ein Problem darstellt.

Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, treffen sich Sammler seit Jahren zum Tauschen – im echten Leben oder im Internet. Bei einer der größten Tauschbörsen in Hamburg kommen so mehr als 300 Panini-Fans zusammen, die ihre doppelten Karten loswerden und im Gegenzug fehlende Sticker ergattern möchten. "Hat einer von euch die Nummer 612?", ruft eine Frau mittleren Alters, die zwischen mehreren Tischen steht, auf denen sich bündelweise Sticker stapeln. 

Andere schreiben mit dickem Edding die Nummern der ihnen noch fehlenden Aufkleber auf Plakate und suchen so nach geeigneten Tauschpartnern. "Hier steht der Spaß im Vordergrund. Da ist es sogar egal, dass die Sticker immer teurer werden", sagt Martina Harbs (57), eine der Veranstalterinnen. Trotzdem hört man vereinzelt immer wieder heraus, dass die Preisentwicklung nicht der einzige Kritikpunkt der Sammler an Panini und seinen Stickern ist. 

"Mir kann keiner erzählen, dass die Karten wirklich alle gleich häufig vorkommen", klagt ein Familienvater – und spricht damit eine vermeintliche Ungerechtigkeit an, die Panini seit Jahren angelastet wird. "Wir haben festgestellt, dass die Glitzer-Sticker bei dieser WM tatsächlich deutlich weniger vorhanden sind", sagt Stefan Kuhn, Gründer der Online-Tauschbörse "Stickermanager". Bei der Online-Börse tauschen mehr als 25 000 aktive Sammler WM-Sticker.

Panini bestreitet diese Vorwürfe. "Wir haben keine Maschine, welche die seltenen Bilder verschwinden lässt", betont die Pressesprecherin. Von jedem Bildchen werden demnach gleich viele produziert und dann gemischt in die Tüten gegeben. Dabei wäre es für den Konzern natürlich taktisch klug, gewisse Karten seltener in den Vertrieb kommen zu lassen. "Das würde die Chance erhöhen, Sammler zu Mehrfachkäufen zu verlocken", sagt Dr. Tobias Hayer, Glücksspiel-Experte der Universität Bremen. 

"Um dieses Misstrauen beim Verbraucher zu nehmen, sollte Panini seine Geschäftsbedingungen und die Gewinnwahrscheinlichkeiten transparenter machen", rät der Experte. So ließe es sich vielleicht verhindern, dass sich Sammler demoralisiert fühlen, wenn sie zum sechsten Mal "Team Island" ziehen. Bis es soweit ist, haben Sammler wohl keine andere Wahl, als auf ihr Glück und ihr Sammelgeschick zu vertrauen.

Dass man am Ende schnell und verhältnismäßig kostengünstig sein Album füllen kann, zeigt der 14-jährige Jeremy Louis auf der Hamburger Tauschbörse. Nur 200 Päckchen habe er zusammen mit seinem Vater gekauft, den Rest mühsam ertauscht. "Jetzt fehlt mir nur noch die Legendenkarte 681", sagt er. Und das ist ausgerechnet ein Deutscher: WM-Rekordtorschütze Miroslav Klose.