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Gedenken Ein Haus voller Erinnerungen

Die Hallenser Jana und Frank Noack verloren beim Germanwings-Absturz ihre Tochter Juliane. Das Gedenken an sie hält ein Förderverein wach.

Von Massimo Rogacki 25.03.2020, 00:01

Magdeburg l Die vergangenen Tage waren mal wieder herausfordernd für Jana und Frank Noack. Die Gedanken, Erinnerungen kreisen stärker als ohnehin um ihre einzige Tochter Juliane. Fünf Jahre ist es her, dass ein Airbus A 320 von Germanwings auf dem Weg von Barcelona nach Düsseldorf in den französischen Alpen zerschellte. Die 30-jährige Hallenserin Juliane Noack und 149 weitere Menschen starben. Der Copilot Andreas Lubitz ließ das Flugzeug am 24. März 2015 absichtlich abstürzen.

Rückblick: Juliane Noack wächst in Halle auf, studiert seit 2004 im Diplom-Studiengang Plastik an der Burg Giebichenstein. Nach dem Abschluss zieht sie 2013 nach Leipzig, richtet dort ein Atelier ein. Sie hat sich dem Autorenschmuck verschrieben.

Vor allem Tiermotive prägen ihre Kunst. Etwa ein Ring mit einem Hasenkopf, Armreife mit Affenköpfen, ein fast lebensgroße Katze, ein Hummer, der sich auf der Schulter tragen lässt. Sie sollen die Träger in ihren täglichen Aufgaben begleiten. Es gibt interessante Anfragen für einige ihrer Arbeiten. Eine Sammlerin aus den USA kauft kurz vor dem Abflug nach Barcelona eine Kette.

Die junge Künstlerin möchte im März 2015 dem deutschen Winter entfliehen, Inspiration für neue Arbeiten finden – und darüber nachdenken, wie ihr neues Leben als Mutter sie bald verändern wird. Von ihrem Freund David ist sie im vierten Monat schwanger. Kurz vor dem Rückflug von Spanien nach Deutschland telefonieren sie ein letztes Mal. Wenn Vater Frank Noack heute zurückblickt, erinnert er sich an große Leere in den Tagen nach dem Absturz. An Wut und Unverständnis, als klar wird, aus welchen Motiven der Copilot handelte. Im Juli 2015 wird Juliane Noack in Halle bestattet. Die junge Frau ist beliebt. An der Trauerfeier nehmen viele Freunde, Verwandte und Kollegen teil. In den Monaten nach dem Absturz entwickeln Juliane Noacks Eltern, Freund David Nowak, Galeristin Katrin Eitner, Kollegen und Freunde die Idee für einen Förderverein. Junge Künstler könnten damit unterstützt werden.

Aus dem Sinnlosen neuen Sinn schaffen, ist so etwas wie das Motto. Eines Tages soll aus dem Verein eine Stiftung werden. Initiiert hat der Verein unter anderem einen Katalog mit den Arbeiten der verstorbenen Künstlerin, diverse Ausstellungen, ein Stipendium und zuletzt eine Vortragsserie in Halle, in der Meisterschülerinnen über zeitgenössischen Schmuck sprechen.

Juliane Noacks Nachlass verwaltet bis heute die Galerie Katrin Eitner in Berlin. Galeristin Eitner erinnert sich an die Tage und Wochen nach dem Unglück. Wie die Anfragen für Juliane Noacks Arbeiten zunahmen. Gemeinsam mit den Eltern fällt die Entscheidung, dass der künstlerische Nachlass zusammenbleiben soll. Auch in Museen und bei Sammlern befinden sich Arbeiten der Künstlerin.

Und im Haus der Noacks erinnern bis heute Plastiken, Fotos und kleine Lieblingsstücke an die Tochter, sagt Frank Noack. Er liebt vor allem zwei menschliche Torsi in Form von in Silber getriebenen Unterhemden. Hank und Flash Gordon. Studienarbeiten von 2010.

Als Nebenkläger in einem Verfahren in Frankreich versuchen die Noacks noch immer zu ergründen und zu verstehen, wer die Verantwortung für das Unglück trägt, wo Fehler gemacht wurden. Das eigentliche Verfahren (siehe Info) sei für sie erledigt, sagt Frank Noack.

Was in diesem Jahr besonders schmerzt: Die seit dem Absturz in jedem Jahr stattfindende Gedenkfeier für die Opfer im Dorf Le Vernet unterhalb der Absturzstelle im Bergmassiv hat die Lufthansa wegen der Corona-Pandemie abgesagt. Für den 57-jährigen Restaurator und seine Frau einer der Fixpunkte im Erinnern an die Tochter.