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Modelleisenbahn Die Dampflok wird digital

Die Welt der Modellbahnbauer steckt im Umbruch. Viele Eisenbahn-Fans springen auf den digitalen Zug auf. Und was macht der Nachwuchs?

05.04.2019, 23:01

Dortmund (dpa) l Die alte Dampflok wird per Handy gesteuert, die ICE-Strecke am PC daheim programmiert, die Bahnhofsbeleuchtung knipst man fix auf dem Touchscreen aus: In die traditionelle Welt der Modellbahnbauer hält die Digitalisierung Einzug. In immer höherem Tempo. Wo früher im Hobbykeller oder auf dem Dachboden das zentrale Trafo stand, findet sich heute oft ein digitales Steuergerät mit Display. Oder die Anlage wird via Smartphone oder Tablet dirigiert. „Viele haben mithilfe von Decodern von analog auf digital umgerüstet“, sagt Michael Krumm vom Dachverband der Modelleisenbahnfreunde BDEF anlässlich der internationalen Publikumsmesse „Intermodellbau“ in Dortmund.

„Man muss kein IT-Freak sein, aber komplex ist es schon“, erläutert ein Hobby-Eisenbahner, der sich am Stand eines großen Herstellers das neueste digitale Steuergerät geschnappt hat. Auf dem Touch-Bildschirm sieht er alle Gleisbahnen gut übersichtlich. „Ich kann mehrere Loks gleichzeitig steuern, auch die Signale oder Lok-Geräusche oder Bahnansagen.“ Dafür genügt es, ein paar Mal mit dem Zeigefinger auf den Screen zu tippen – aber eben an der richtigen Stelle. Das scheint nicht trivial zu sein, jedenfalls für den Anfänger. Und: „Man kann die Steuerzentrale auch mit dem Heimnetzwerk verbinden.“ Damit kommen PC, Tablet oder Smartphone ins Spiel.

So geht es bei der nach Veranstalter-Angaben weltgrößten Publikumsmesse für Modellbau und Modellsport diesmal unter den Freizeit-Eisenbahnern auch schon mal um Sounddecoder oder den Booster-Link. Franz-Josef Küppers, Experte vom Modellbahnverband (Moba), meint, man solle technisch mit der Zeit gehen. „Unser Hobby verliert Anhänger. Nicht jeder ist sofort für das Moderne zu haben. Aber manche Clubs sind Ältere-Herren-Vereine, und da sterben uns irgendwann die Leute weg.“ Küppers rät: „Wenn Sie junge Leute dabei haben wollen, müssen Sie digital fahren. Da ist Hightech ganz wichtig.“

Küppers schätzt, dass inzwischen bis zu drei Viertel der Hobby-Eisenbahner umgerüstet haben oder zweigleisig fahren – teils analog, teils digital. Matthias König gehört nicht dazu. Aus Überzeugung. „Ich bin ein Feind von digitaler Steuerung. Und es gibt viele Leute, die das ganz bewusst analog halten wollen.“

Ja schon, bei Riesenanlagen könne eine digitale Steuerung wegen der besseren Übersicht Vorteile haben. Aber der Fachmann vom BDEF (Bundesverband Deutscher Eisenbahn-Freunde) sieht vor allem Geschäftemacherei.

„Die Hersteller machen Druck, umzurüsten.“ Aber nicht nur die Umstellung koste Geld. Die digitalen Lokomotiven seien deutlich teurer als die analogen Modelle. Es gebe zudem unterschiedliche Systeme, die nicht miteinander kompatibel seien, bemängelt König. Dass man den Nachwuchs mit Tablet und Smartphone ködern könne, glaubt er nicht. „Wer auf so was abfährt, wird wohl kaum ein Modellbau-Fan.“ Man brauche Geduld und Konzentration für Anlagen- und Geländegestaltung, müsse Elektro- und Schreinerarbeiten erledigen. „Einen jungen PC-Freak kriegen Sie nicht auf eine Modellbahn, da passen eher Computer-Spiele mit Eisenbahnen.“

Laut Spielwaren-Einzelhandel (BVS) kommt von den Modellbahn-Herstellern jedenfalls ein „leicht positives Signal“. Immerhin geschätzte 150 Millionen Euro haben die Deutschen 2018 für ihre Modelleisenbahnen ausgegeben. Der Bereich Gaming und Virtual Reality stehe für „modern“, der Modellbahnbau gelte vielen als „alt“, aber beides verschmelze allmählich, meint BVS-Sprecher Steffen Kahnt. Und er beobachtet, dass immer mehr Großväter ihre Enkel an die Modelleisenbahn heranführen. Dafür würden vergessene Schätze aus dem Keller hervorgeholt – und dann Stück für Stück von historisch auf modern getrimmt.