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Spielemesse Nur im Spiel ist der Mensch ganz Mensch

Vor dem Start der Spielemesse in Essen verrät Branchenexperte Jens Junge, wie sich deutsche von amerikanischen „Spielern“ unterscheiden.

12.10.2016, 23:01

Essen (dpa) l Hunderttausende Besucher werden in den kommenden Tagen wieder bei der weltgrößten Spielemesse in Essen erwartet. Auch Branchenexperte Jens Junge ist unter ihnen. Er ist selbst Spieleentwickler, Vermarkter und Gründer des „Instituts für Ludologie“ an der Hochschule für Kommunikation und Design in Berlin. Als Spielforschung vereint die Ludologie so unterschiedliche wissenschaftliche Disziplinen wie Soziologie, Wirtschaftswissenschaften und Anthropologie.

Warum spielt der Mensch überhaupt?

Jens Junge: Der Mensch lernt spielerisch. Er nutzt Fantasiespiele, um sich Dinge vorstellen zu können, und Rollenspiele, um Szenarien zu trainieren. Mit Konstruktionsspielen erlangt er Fingerfertigkeit. Regelspiele sind Übungen für die soziale Interaktion. Erwachsene spielen, weil Spiele oftmals „besser“ sind als die Wirklichkeit. In Spielen schaltet man ab, die Realität aus, man erhält Belohnungen und Erfolge, die vielleicht im Alltag ausbleiben.

Was hat der Mensch vom Spielen? Was „gewinnt“ er, wenn er gewinnt? 

Bei Spielen mit Wettbewerbscharakter gewinnt er ein gutes Gefühl. Er beherrscht ein System. Er kann seine Strategie, seine Taktik und seine Fähigkeiten gezielt einsetzen. Er spürt seine Wirksamkeit und kann sich hoffentlich an dem Sieg der anderen ebenso freuen. Spiele bringen Menschen zusammen. Nur im Spiel sind wir ganz Mensch.

Gibt es eigentlich beim Spielen Unterschiede zwischen Kulturen?

Die Deutschen spielen liebend gerne strategische Aufbauspiele. Sie sehen gerne etwas wachsen, gestalten es, erfreuen sich an Ritterburgen, Weltraumfestungen und am ständigen Vorankommen. Gerade in anderen, risikofreudigeren Kulturen, zum Beispiel in den USA, liebt man Spiele mit mehr Zufallskomponenten. Die möchten die Deutschen gerne eher ausgeschaltet sehen, sie tendieren zu Sicherheit und Kontrolle.

Leben wir in einer „verspielteren“ Gesellschaft als früher?

Ja, denn inzwischen gibt es vielfältige digitale Spiele, die immer mehr das frühere Leitmedium Fernsehen verdrängen. Gleichzeitig kommunizieren immer mehr Menschen in ihrer Arbeit stark digital. Abends greifen sie dann erst recht gerne zur „digitalen Entgiftung“, laden reale Menschen für einen gemütlichen Spieleabend ein.