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Landtag Linke will die Staatsbahn zurück

Nach dem Fehlstart des Anbieters Abellio in Sachsen-Anhalt debattierte der Landtag Konsequenzen.

Von Jens Schmidt 02.02.2019, 00:01

Magdeburg l Fast 700 Zugausfälle, 40 fehlende Lokführer, Verspätungen, kaputte Loks, 300 000 Euro Vertragsstrafe. Die erste Monatsbilanz des Bahnanbieters Abellio hätte nicht verheerender ausfallen können. Seit 9. Dezember fährt das Unternehmen das sogenannte Dieselnetz in Sachsen-Anhalt. Darunter ist die wichtige Linie nach Wolfsburg, die Tausende VW-Pendler nutzen. Gestern beriet der Landtag, wie es mit dem Wettbewerb auf der Schiene weitergeht. Schließlich ist das Land Sachsen-Anhalt Auftraggeber.

Und pünktlich zur Debatte war wieder ein Wolfsburger Zug unpünktlich: Die Mittagsverbindung kam mit einer Stunde Verspätung in Magdeburg an. „Es gab technische Probleme“, sagte ein Abellio-Sprecher. Der Zug musste im Schneckentempo fahren und wurde danach ins Reparaturwerk Halberstadt gebracht.

Für die Linke ist klar: Bahnreform und Wettbewerb sind gescheitert. „Wir müssen die Re-Verstaatlichung vorbereiten“, sagte Giudo Henke. Nahverkehr sei öffentlche Daseinsvorsorge – und dafür brauche es eine Staatsbahn. Ohne Preiskampf und Druck auf die Löhne.

Wobei: Abellio ist eine Tochter der niederländischen Staatsbahn. Genau wie Arriva die Tochter der staatseigenen Deutschen Bahn ist. Abellio fährt Linien in Deutschland. Arriva in den Niederlanden. Zwei Staatsbahnen im Wettbewerb gegeneinander – SPD-Verkehrspolitiker Falko Grube hält das für einen „absurden Zustand“. Und warum ist das so?

Weil, so Grube, in den Bahn-Töchtern das Personal schlechter bezahlt würde als die Kollegen im Stamm-Unternehmen. Das senkt die Preise und erhöht die Chance, eine Ausschreibung zu gewinnen. So geht europäischer Wettbewerb. „Da muss man sich nicht wundern, dass manche von Europa die Schnauze voll haben“, meint Grube.

Verkehrsminister Thomas Webel (CDU) entgegnet, dass es beim Bieterverfahren längst nicht allein um Preise ginge. Moderne Waggons, Bord-Internet, Schaffner auf allen Zügen, fachliche Kompetenz – darauf würde auch geschaut. „Billiganbieter haben da keine Chance.“

Bei den Gehältern gibt es laut Lokführer-Gewerkschaft GDL tatsächlich keine gravierenden Unterschiede mehr; auch Abellio zahlt inzwischen Tarif. Ein Lokführer startet mit 2737 Euro brutto, nach zehn Jahren gibt es laut GDL 3020 Euro. Dennoch: Als Abellio das Netz von der Deutschen-Bahn-Tochter DB-Regio übernahm, wechselten nur sehr wenige DB-ler zum neuen Unternehmen.

Ein Grund: DB zahlt in eine Betriebsrentenkasse ein. Die angesparten Gelder gingen bei einem Wechsel zwar nicht verloren, doch Abellio würde nicht weiter einzahlen. Und: Abellio muss nach Meinung der GDL das Betriebsklima und die betriebliche Ausbildung verbessern.

Mittlerweile bildet Abellio auch Quereinsteiger zum Lokführer aus.

Gehört der Wettbewerb aufs Abstellgleis? Keinesfalls, meinen CDU, AfD und Grüne.

CDU-Verkehrspolitiker Frank Scheurell bezeichnete die Forderung der Linken als „kommunistische Weltrevolution“. Auch die Kündigung des Vertrags komme nicht in Frage. Bei allem Ärger: Mittlerweile fahren fast alle Züge, sagt Scheurell. Aktuelle Bilanz: 871 Ausfälle bei 14.110 Fahrten. Ab 4. März – so verspricht es Abellio – sollen auch die letzten Bus-Ersatzfahrten beendet sein.

Die Grünen favorisieren eine Zweiteilung: das Gleisnetz (derzeit im Besitz der DB Netz AG) müsse in die Hand einer neu- tralen, staatlichen Behörde. Bei den Bahnanbietern aber soll es weiter Wettbewerb geben. „Es braucht ein kluges Ausschreibungsverfahren“, sagte Fraktionschefin Cornelia Lüddemann. So müsse die Bezahlung der Mitarbeiter und die Gewinnung des Personals künftig ein starkes Vergabe-Kriterium sein.