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Lkw-Kartell Spediteure fordern Millionen

In Zivilprozessen vor deutschen Gerichten wollen Speditionen und andere Firmen die Lastwagen-Bauer des Lkw-Kartells zur Kasse bitten.

21.12.2017, 23:01

Stuttgart (dpa) l Der Druck auf Daimler und andere Lkw-Bauer steigt. Vor verschiedenen Gerichten sehen sich die Hersteller mit immer höheren Schadenersatz-Forderungen wegen des 2016 bekanntgewordenen Lkw-Kartells konfrontiert. Gestern wurde vom Europäischen Ladungs-Verbund Internationaler Spediteure (Elvis) eine Klage eingereicht, eine ähnliche vom Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) soll nach Weihnachten folgen. Eine Entscheidung dürfte sich hinziehen.

Worum geht es?

Von 1997 bis 2011 haben Daimler, Iveco, DAF, MAN und Volvo/Renault untereinander Informationen ausgetauscht. Auch Scania soll mitgemacht haben. Es ging um Preise und die Einführung klimaschonender Technik. Die EU-Kommission wertete das als Kartell und verhängte eine heftige Geldbuße von insgesamt knapp vier Milliarden Euro.

Wie ist die Haltung von Daimler?

Daimler räumte Verfehlungen ein und zahlte. Zugleich betont die Firma aber, man gehe davon aus, dass den Kunden kein finanzieller Nachteil entstanden sei. Schließlich zahle der Kunde nach Rabatten und Zusatzkomponenten einen Endpreis, der mit dem Listenpreis nur noch wenig zu tun habe.

Warum ist das Thema nach Zahlung der Geldbuße noch nicht vom Tisch?

Immer mehr Transportunternehmen und andere Firmen ziehen vor Gericht, um dort Schadenersatz einzufordern – sie behaupten, dass sie wegen der Preisabsprachen der Hersteller zu viel gezahlt hätten für ihre Fahrzeuge. Zudem hätten sie wegen der späteren Einführung der Euro-5-Abgasnorm zu hohe Kosten gehabt, zum Beispiel für Sprit – die modernen Motoren verbrauchen weniger als die Euro-4-Modelle.

Infografik: Die höchsten Kartellstrafen in Europa seit 2006 | Statista Mehr Statistiken finden Sie bei Statista

Warum kommt gerade jetzt neue Dynamik in das Thema?

Ende des Jahres könnten Verfehlungen aus der Anfangszeit des Kartells – von 1997 bis 2002 – verjähren. Für die Zeit danach dürften weitere Klagen folgen.

Was ist der Knackpunkt der Verfahren?

Aus Verbrauchersicht ist es ein Dilemma: Die EU-Kommission geht zwar immer wieder mit hohen Bußgeldern gegen Kartelle vor, sagt aber nichts zu den Folgen für Kartellopfer, also die Kunden. Das überlässt die Brüsseler Behörde nationalen Gerichten. Dort wiederum müssen Geschädigte selbst nachweisen, wie viel Geld sie zu viel gezahlt haben wegen der Absprachen der Hersteller. Das ist enorm schwierig.

Wie wahrscheinlich ist es, dass Daimler & Co. finanziell noch mal büßen müssen?

Im deutschen Recht gibt es keine Sammelklagen. Daher behelfen sich Kläger mit einem Kniff: Kartellopfer treten ihre Ansprüche an eine Firma ab, die als Einzelkläger eines ganzen Pools von Ansprüchen auftritt. Stephan Waldheim von der Anwaltskanzlei Bird & Bird verweist darauf, dass in der Vergangenheit immer wieder Gerichte ähnliche Versuche abgewiesen haben. Die Kläger hätten aber vermutlich aus solchen Schlappen gelernt – es sei also denkbar, dass diese „De-facto-Sammelklagen“ doch mal vor Gericht Bestand haben.

Wie hart könnte es die Lkw-Hersteller treffen vor Gericht?

Schwer zu sagen. Elvis vertritt in der Klage nach eigenen Angaben 310 Firmen, die 176 Millionen Euro Schadenersatz von Daimler fordern. Es geht um 16.600 Lastwagen, die teilweise mehr als 10.000 Euro überteuert gekauft worden seien, behauptet der Verbund. Der Bundesverband BGL, der eine Klage für rund 3000 Firmen anstrengt, hält sich zur geforderten Schadenersatz-Summe noch bedeckt.