Luftverkehr Boeing unter Druck

Flugverbote für die Boeing 737 Max haben nicht zu mehr Chaos geführt. Doch das Misstrauen gegenüber den Amerikanern wächst.

13.03.2019, 23:01

Frankfurt/Main (dpa) l Das weitgehende Flugverbot für das Mittelstreckenflugzeug Boeing 737 Max hat zunächst kein Chaos ausgelöst. Während in Nordamerika nach dem Absturz von Addis Abeba weiterhin Flüge mit dem noch neuen Flugzeugtyp stattfanden, standen die Jets in Europa und Asien weitgehend am Boden.

Der Hersteller Boeing wie auch die nordamerikanische Luftfahrtbehörde FAA stehen wegen des Festhaltens an der Betriebsgenehmigung zunehmend in der Kritik. Auslöser der Flugverbote war der Absturz einer Maschine der Ethiopian Airlines, der einem ersten Unfall mit der 737 Max vor einigen Monaten in Indonesien mit 189 Toten.

Europa und weite Teilen Asiens haben den Flugzeugtyp mit einem Startverbot belegt. Mindestens 200 der seit 2017 rund 370 ausgelieferten Maschinen stehen inzwischen am Boden. An den deutschen Flughäfen gab es am Mittwoch für die Passagiere nur geringe Einschränkungen. Am größten deutschen Flughafen in Frankfurt waren von dem am Dienstag verhängten europaweiten Flugverbot lediglich zwei Flüge betroffen, in anderen Städten gab es gar keine Auswirkungen.

Die Flugschreiber der verunglückten Boeing sollen zur Analyse nach Europa und nicht wie eigentlich üblich ins Herstellerland USA geschickt werden, teilte die Fluggesellschaft Ethiopian Airlines mit.

Nach Einschätzung von Experten sind derzeit ausreichend Ersatzflugzeuge und Reserven vorhanden, so dass größere Störungen im Flugbetrieb verhindert werden können. Sollte sich das Flugverbot bis in die Osterferien ziehen, werde es jedoch erste spürbare Kapazitätsprobleme geben, meint Gerald Wissel von der Airborne-Beratung.

Der Tui-Konzern will den Ausfall seiner Boeing-737-Max-8-Flotte vor dem Oster-Reiseverkehr mit Charter-Flugzeugen ausgleichen. Zur Frage möglicher Kompensationszahlungen für den Ausfall wollte sich das Unternehmen nicht äußern. Die vom Hersteller Boeing in Aussicht gestellten Updates für eine Steuerungssoftware werden in den nächsten Tagen erwartet und sollen dann auf die Bordcomputer geladen werden.

Die hoch verschuldete norwegische Fluggesellschaft Norwegian pocht bereits auf Schadenersatz. Es sei offensichtlich, dass die Kosten, die durch das vorübergehende Startverbot für brandneue Flugzeuge entstünden, von denjenigen getragen werden müssten, die diese Maschinen hergestellt hätten, sagte ein Unternehmenssprecher der Deutschen Presse-Agentur. Norwegian versuche, die Ausfälle mit anderen Flugzeugen, Umbuchungen und möglichst wenig Unzulänglichkeiten für die Passagiere aufzufangen. Nach Berechnungen des Analysehauses Bernstein verliert Norwegian jeden Tag mehr als 750 000 Euro, wenn die Max-Flugzeuge am Boden bleiben.

Für den Boeing-Konzern könnte das jüngste Unglück weitaus mehr als nur eine Imagekrise bedeuten. Die 737-Max-Serie ist der gefragteste Flugzeugtyp des Airbus-Rivalen. Der zweite Absturz einer neuen Boeing Maschine binnen weniger Monate hatte wachsende Zweifel am Markt ausgelöst. Bei andauernden Problemen mit dem Kassenschlager könnten somit auch massive Umrüstungskosten und Geschäftseinbußen drohen. Der Aktienkurs des Unternehmens sackte in den Tagen nach dem Unglück deutlich ab. Boeing beharrt auf der Verlässlichkeit der in die Kritik geratenen Baureihe. „Wir haben volles Vertrauen in die Sicherheit“, teilte der Konzern mit.

Die Airlines hätten ihrerseits kein Interesse an einem Ende der Geschäftsbeziehungen zu Boeing, sagte Wissel. Konkurrent Airbus könnte auf der einen Seite keine zusätzlichen Aufträge erfüllen und außerdem in eine Monopolstellung geraten und die Preise diktieren. „Die Airlines haben ein hohes Interesse an einem funktionierenden Wettbewerb. Schnelle Abbestellungen wird es bei Boeing nicht geben.“