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Milchpreise Jeder zweite Milchbauer gibt auf

Die Milchkrise hat in Sachsen-Anhalt deutliche Spuren hinterlassen. In den letzten zweieinhalb Jahren haben 91 Betriebe zugemacht.

Von Janette Beck 20.02.2018, 00:01

Magdeburg l Die Talfahrt der Milchwirtschaft liegt zwei Jahre zurück: In den Jahren 2015 und 2016 lagen die Preise für die Betriebe auf einem ruinierend schlechten Niveau. Ein Liter Rohmilch wurde gar für 15 Cent verramscht. Im Vorjahr konnten die Milcherzeuger in Sachsen-Anhalt nach langer Zeit wieder kostendeckend arbeiten. Doch das Aufatmen war nur von kurzer Dauer, die Preise für Milchprodukte sind wieder im Sinkflug. Die ersten Molkereien im Norden kalkulieren für Ende des ersten Quartals einen Preis von um die 30 Cent pro Liter Milch.

Nele Kruse, Fachreferentin Tierhaltung im Bauernverband Sachsen-Anhalt, erklärte dazu der Volksstimme: „Bereits zu Beginn dieses Jahres ist wieder ein zügiger Abwärtstrend des Milchpreises zu verzeichnen. Der durchschnittliche Grundpreis der Molkereien in Sachsen-Anhalt betrug im Januar etwa 33/34 Cent pro Kilo Milch.“ Damit liege er drei bis fünf Cent unter dem der Vormonate. „Ein gutes Jahr wie 2017 reicht nicht aus, um die Löcher aus den Vorjahren zu stopfen und Polster für die Zukunft aufzubauen“, warnt Kruse vor dem gefährlichen Trend.

Auch für Peter Schuchmann, Landesvorsitzender des Bunds Deutscher Milchviehhalter (BDM), ist es bereits wieder kurz vor Zwölf: „Noch vor zwei Monaten lag der Preis für konventionelle Milch bei bis zu 40 Cent pro Liter. Jetzt geht es wieder in den Keller. Wenn ich höre, dass die Schmerzgrenze bei 30 Cent liegt, könnte ich platzen.“ Um gewinnbringend wirtschaften zu können, müssten die Preise bei 40 bis 45 Cent pro Liter Milch liegen. „Und das auch aus Gründen der Planungssicherheit nachhaltig“, schimpft der Landwirt, der in Schwarzholz (Altmarkkreis Stendal) einen Hof mit 220 Kühen bewirtschaftet und Bio-Milch produziert.

Ein Auslöser für die sinkenden Milchpreise sind unter anderem die Preissenkungen des Lebensmitteleinzelhandels. Zum Beispiel wurde der Preis für je 250 g Butter innerhalb der letzten Wochen von 1,99 über 1,59 auf derzeitig 1,29 Euro reduziert. Zudem liegen noch größere Mengen Milchpulver aus der Intervention der Krisenjahre in Lägern der Europäischen Union, deren Verfallsdatum sich nähert. BDM-Chef Schuchmann spricht von 400.000 Tonnen.

Auch Nele Kruse sieht in der Marktpolitik der EU ein Problem. Ihr Vorwurf: „ Bisher ist es nicht gelungen, die überschüssigen Mengen an Trockenmilchpulver zumindest teilweise in Katastrophen- und Krisenregionen der Welt humanitär sinnvoll fließen zu lassen.“ Diese Situation werde von den Molkereien ausgenutzt, so der Vorwurf des Landes-Bauernverbands, der auf die Milcherzeuger „erneut schwere Zeiten“ zukommen sieht.

Schuchmann sieht aber auch die Erzeuger in der Pflicht: „Die Landwirte müssen vor sich selbst geschützt werden. Es ist zu viel Milch auf dem Markt. Die Misere war schon im Herbst absehbar. Die Einzelbetriebe haben trotzdem weiter gemolken, was das Zeug hält, um Liquidität zu schaffen.“ Das sei nachvollziehbar, „aber im Grunde wird hier volkswirtschaftliches Vermögen verschleudert“. Um aus dem Teufelskreis auszubrechen, müsste jeder Betrieb fünf Prozent weniger Milch produzieren, so der Bio-Milch-Produzent. „Der Milchmarkt braucht ein Zeichen, damit Erzeugermengen und Abnahme wieder ins Gleichgewicht kommen. Dazu wiederum braucht es endlich Regelungen, die EU-weit jeden Milchbetrieb verpflichten, weniger zu produzieren.“