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Weltmeister von 1954 WM-Held Eckel: Fritz Walter hat nicht gerne Reden gehalten

Horst Eckel lebt bescheiden im pfälzischen Dörfchen Vogelbach, wo er einst das Kicken begann. Auch für den letzten noch lebenden Weltmeister von 1954 ist der 31. Oktober ein ganz besonderer Tag: Da wäre Fritz Walter 100 Jahre alt geworden.

Von Ulrike John, dpa 27.10.2020, 09:39

Bruchmühlbach-Miesau (dpa) - Als der 88-Jährige wohl zum tausendsten Mal auf das Schwarz-Weiß-Foto schaut, da huscht ein Lächeln über sein Gesicht. Und die Erinnerungen kommen bei Horst Eckel wieder hoch:

Denn als der große Fritz Walter den WM-Pokal in der Hand hat, da hält sich ein junger Kerl mit ungläubigem Gesicht an ihm fest. Er trägt ebenfalls das Nationaltrikot und sitzt wie der Kapitän auf den Schultern von Zuschauern im Berner Wankdorfstadion. Die historische Aufnahme der beiden Lauterer hängt in Eckels kleinem Trophäenzimmer, in seinem Haus in Vogelbach. "Der Fritz wollte mich immer gerne in der Nähe haben", erzählt der letzte lebende Weltmeister von 1954.

Eckel ist nach Mário Zagallo (89), der erstmals 1958 mit Brasilien bei einer WM triumphierte, der älteste lebende Fußball-Weltmeister überhaupt. Nur noch Eckel kann erzählen, wie es beim "Wunder von Bern" mit Fritz Walter war, der 2002 starb. Der damals Jüngste im Team hatte ein ganz besonderes Verhältnis zu ihm, wie er im Interview der Deutschen Presse-Agentur erzählt.

Fritz Walter wäre am 31. Oktober 100 Jahre alt geworden. Wie hätte er denn gerne gefeiert?

Horst Eckel: Da hätten wir einen schönen Geburtstag gehabt. Er hätte nicht alleine gefeiert. Es wären alle, die noch da wären von damals, hingegangen. Sekt hätte es gegeben. Aber ich habe ja nie viel getrunken. Wir haben immer gewusst, was wir machen.

Es gibt viel Trubel um Fritz Walters 100. Geburtstag. Sie waren zum Beispiel dabei, als in Mainz die offizielle Briefmarke vorgestellt wurde. Wie hätte ihm das gefallen?

Eckel: Wenn er dabei gewesen wäre, hätten wir einen schönen Tag gehabt. Aber ich glaube nicht, dass er aus so einem Anlass was ganz Großes gemacht hätte. Er war auch kein guter Redner. Also, wenn er eine Rede gehalten hat, dann hat er es jedenfalls nicht gern gemacht.

Wann haben Sie ihn zum ersten Mal persönlich kennengelernt?

Eckel: Ich kann mich gar nicht mehr daran erinnern, wann genau das war. Ich habe ja in Vogelbach in der ersten Mannschaft gespielt. Da war ich ja erst 15. Dann bin ich nach Kaiserslautern gegangen, zur Jugend. Als der Fritz mich einmal hat spielen sehen, da hat er gesagt: Du kommst zu uns. Dann bin ich gleich nach oben gerutscht und habe schnell in der ersten Mannschaft gespielt. Ich weiß nicht, warum und wieso - aber ich hatte ja den Fritz an meiner Seite. Er hat mir gesagt, ob ich was verkehrt mache oder nicht. Dann war ich schnell deutscher Meister und schnell in der Nationalmannschaft. Und dann bin ich schnell Weltmeister geworden. Ja, das ist alles sehr schnell gegangen. Und durch den Fritz neben mir noch ein bisschen schneller.

Er war zwölf Jahre älter als Sie und wie eine Vaterfigur?

Eckel: Das kann man wohl sagen. Ich habe im Mittelfeld gespielt und er vorne im Sturm. Im Training brauchte er mir nichts zu sagen. Es war halt keiner in der Mannschaft, der schneller war als ich. Manchmal hätte ich ihm was sagen können: Dass er noch ein bisschen mehr machen muss, weil er ja älter war (lacht). Wenn wir trainiert hatten und vom Platz gingen, da habe ich gesagt: Sind wir schon fertig? Die anderen waren halb tot. Aber ich war ja auch weitaus der Jüngste.

Fritz Walter war ja der verlängerte Arm von Trainer Sepp Herberger. Hatte er auch in der Kabine öfter das Wort ergriffen?

Eckel: Eigentlich nicht. Wenn, dann nur paar Worte. Hat es auch nicht gebraucht, wir waren immer gut beisammen. Aber wenn der Fritz was gesagt hat, dann haben das alle gemacht - ob das der Ottmar Walter war, der Werner Liebrich oder der Werner Kohlmeyer.

Wie hat Fritz Walter den WM-Sieg als Kapitän an jenem Abend in Bern gefeiert?

Eckel: Er hat nicht so ausgiebig gefeiert. Er hat sich immer etwas zurückgehalten. Ich weiß schon gar nicht mehr, wo genau wir überall gefeiert haben. Aber es war immer gut. Es war manchmal ein bisschen viel. Aber wir waren halt Weltmeister.

Der WM-Triumph als Aufbruchsignal in der Nachkriegszeit. Wie haben Sie die Dimension dieses Erfolgs damals empfunden?

Eckel: Das haben wir damals nicht gewusst. Das haben wir erst gemerkt, als wir nach Hause gekommen sind. Da wussten wir: Ach, wir sind ja Weltmeister. Egal, wo wir hingekommen sind, war ja immer was los. Wenn man so was Großes gewinnt, ist man sehr zufrieden. Das waren wir auch.

Wie hat dieser WM-Titel ihr Leben geprägt?

Eckel: Es hat mir überall ein bisschen geholfen. Es war aber nicht so, dass wir da rumgetönt haben: Oh ja, wir! Wir sind so geblieben, wie wir waren. Das Leben ging ja weiter.

Hatte Fritz Walter eine Schwäche, die ihn selbst geärgert hat?

Eckel: Wenn ein Gegner da war, wo's gerappelt hat, das war nicht gut für ihn. Da ist er vorsichtig geworden, auch manchmal bei großen Spielen. Aber er hatte ja die Leute um sich, die für ihn mitgemacht haben und mitgelaufen sind.

Was ist ihre schönste Erinnerung an Fritz Walter?

Eckel: Was soll ich sagen? Wir hatten ein Vater-Sohn-Verhältnis. Bei uns hat's nie was gegeben. Wenn ältere Spieler etwas nicht richtig gemacht haben, da hat er schon ein paar Worte gesagt. Bei uns gab's nie Probleme. Auch nach dem Fußball war es so: Wenn der Fritz irgendwohin eingeladen war, dann musste ich mit. Er hat es auch gebraucht, dass ich bei ihm bin. Deshalb bin ich so schnell nach oben gekommen, das habe ich ihm zu verdanken. Normal geht das nicht so schnell bei einem jungen Mann. Wenn wir zusammen gespielt haben, war er immer froh, wenn ich da war.

Wie war das für Sie, als er gestorben ist?

Eckel: Das war ... das ist heute noch für mich ein schwieriger Moment. Es wird ja so oft über ihn gesprochen.

Wer ist denn der größte deutsche Fußballer: Fritz Walter, Franz Beckenbauer, Lothar Matthäus...?

Eckel: Fritz Walter! Ich will nicht sagen, warum. Für mich war er halt derjenige.

Werden Sie ihn mal wieder sehen, im Himmel?

Eckel: Das weiß ich jetzt noch nicht. Ich hoffe es. Dann machen wir weiter mit dem Fußball, wie wir es früher gemacht haben. Es war eine schöne Zeit.

ZUR PERSON: Horst Eckel, geboren am 8. Februar 1932 in Vogelbach, war mit 19 erstmals deutscher Meister mit dem 1. FC Kaiserslautern, mit 22 bereits Weltmeister - als Jüngster beim "Wunder von Bern". Für Deutschland bestritt er 32 Länderspiele. In seiner Anfangszeit beim FCK lernte er Werkzeugmacher bei der Nähmaschinenfabrik Pfaff. Nach seiner Fußballkarriere wurde er Realschullehrer. 1957 heiratete Eckel seine Jugendfreundin Hannelore, Trauzeuge war Fritz Walter. Das Ehepaar lebt längst wieder in Vogelbach. In seinem kleinen Trophäenzimmer hinter der Waschküche hängt neben dem berühmten Foto von ihm und Fritz Walter auch ein großes Porträt von Ferenc Puskás, dem Kapitän der damals als übermächtig geltenden Ungarn im WM-Finale 1954.

© dpa-infocom, dpa:201026-99-90910/4

Homepage von Horst Eckel

Horst-Eckel-Stiftung