Harz Ackerstreifen sorgen für mehr Artenvielfalt
Warum sich die Agrarproduktivgenossenschaft Langeln an einem Forschungsprojekt der Uni Göttingen beteiligt:
Langeln/Mulmke l Wer einen Blick auf das Feld zwischen Heudeber und Mulmke wirft, reibt sich womöglich verwundert die Augen. Erst gelb, dann grün, dann wieder gelb? Dass der Acker Streifen trägt, ist volle Absicht. Mit der rund 20 Hektar großen Fläche beteiligt sich die Agrarproduktivgenossenschaft (Apro) Langeln an einem Forschungsprojekt zum Thema „Streifenanbau“, erklärt Apro-Geschäftsführer Axel Naumann.
Die Idee für den Streifenanbau hatte Gunnar Breustedt. „Das kam aus verschiedenen Richtungen“, sagt der Landwirt und Privatdozent an der Universität Kiel. Auf seinem eigenen Hof in Weddingen bei Goslar hat er zahlreiche Blühstreifen angelegt. Ein Foto, das er bei Göttinger Kollegen sah, bescherte ihm ein Aha-Erlebnis: Darauf war ein Blühstreifen mitten im Acker zu sehen. „Normalerweise werden diese am Rand oder an schwer zugänglichen Stellen angelegt“, weiß Breustedt.
Zuvor hatten Studien der Uni Göttingen bereits nachgewiesen, dass kleinere Felder sich günstig auf die Artenvielfalt auswirken. „Da fiel es mir wie Schuppen von den Augen“, sagt Gunnar Breustedt. Die Streifen schienen geeignet, um bisherige Monokulturen in der Landwirtschaft aufzubrechen. „So kann man wieder zu kleineren Strukturen kommen.“
Auf drei Feldern im niedersächsischen Vorharz startete mit der Aussaat 2018 eine europaweit bislang einmalige Pilotstudie zum Streifenanbau. Die Ergebnisse lassen aufhorchen: „Im Streifenacker konnten über 50 Prozent mehr Arten festgestellt werden als in den Vergleichsfällen“, sagt Breustedt. Die Rapsstreifen beherbergten während der Rapsblüte dreimal so viele Wildbienen wie große und einheitlich bebaute Felder. Bei den Vögeln konnten nicht nur doppelt so viele Arten festgestellt werden: Es hielten sich auch zahlenmäßig doppelt so viele Tiere auf und nahe den Ackerstreifen auf wie auf den Vergleichsfeldern.
Seit vergangenem Sommer wird auf breiterer Basis weiter geforscht. Elf Versuchsfelder sind streifenweise bepflanzt worden, abwechselnd mit Raps und Weizen. Getreide und eine Blütenpflanze bildeten ein gutes Gespann, sagt Gunnar Breustedt. Drei der Testäcker befinden sich in Sachsen-Anhalt, einer davon gehört der Agrarproduktivgenossenschaft in Langeln. Deren Chef Axel Naumann las von dem Projekt in der Bauernzeitung und meldete sich bei Breustedt zur Teilnahme an. „Wir unterstützen gerne die Forschung, das ist unsere Einstellung“, sagt der Landwirt mit Doktortitel.
Obwohl die Genossenschaft konventionell wirtschaftet, achtet sie auf die ökologischen Auswirkungen des Ackerbaus –zum Nutzen der Natur wie auch zum eigenen Nutzen. „Wir sind daran interessiert, die Insektenpopulation zu unterstützen, um eine ausgewogene Mischung an Nützlingen und Schädlingen zu erhalten“, erklärt Breustedt. Zu DDR-Zeiten habe man beispielsweise eine Mischung aus verschiedenen Gerste-Sorten gesät, um Pilzkrankheiten vorzubeugen. „Dadurch hat man Pflanzenschutzmittel gespart.
Nach allem, was man bislang wissen, könne durch den Streifenanbau eine „bessere biologische Schädlingskontrolle“ erreicht werden, erklärt Gunnar Breustedt. Blattläuse zum Beispiel würden von Schwebfliegenlarven gefressen, welche im Weizen abgelegt werden müssen. „Die Schwebfliegen ihrerseits leben aber eher im Raps, weil sie sich von Nektar und Pollen der Blüten ernähren“, erläutert der Agrarwissenschaftler.
Weil die Wege für die Kleintiere im Streifenanbau kürzer sind, können sie sich besser entwickeln und die Zahl der Blattläuse senken. Generell sei für Insekten, vor allem Laufkäfer und Spinnen, die Nachbarschaft unterschiedlicher Milieus von Vorteil. „Sie haben ein Angebot von zwei mehr oder weniger unterschiedlichen Lebensräumen“, so Breustedt.
Um die Zahl der Tiere zu ermitteln, stehen an den Streifenrändern Fallen. „Mit den Kreuzfensterfallen werden Fluginsekten eingefangen“, so Breustedt. Diese prallen gegen zwei Plexiglasscheiben und fallen in einen Behälter mit Glykol, in dem sie getötet und konserviert werden. Laufkäfer und Spinnen würden mit in den Boden eingelassenen Trichtern gefangen. Sechs Göttinger Studenten kontrollieren regelmäßig die Fallen auf den Versuchsfeldern, die Ergebnisse verwenden sie für ihre Bachelor- und Masterarbeiten.
Für den Bauern hingegen bedeute der Streifenanbau zusätzlichen Aufwand. „Die Flächen müssen genau passen“, betont Gunnar Breustedt. Pflanzenschutzmittel darf nur auf den Weizen gespritzt werden. „Der Raps würde davon umfallen.“ Möglich sei so exaktes Arbeiten erst, seit Landmaschinen automatische Lenksysteme haben, die per GPS gesteuert werden. Dennoch könne es passieren, dass Zwischenräume nicht oder doppelt gesät würden und so verloren gingen. Zudem müsse man zweimal mit dem Mähdrescher aufs Feld und habe dadurch mehr Transportkosten und Arbeitsaufwand.
Axel Naumann sieht dies entspannt. „Für uns ist das ein geringer Mehraufwand. Aber es ist für uns interessant, was dabei herauskommt“, sagt der Langelner Apro-Chef. Ende August wurde der Raps ausgesät, der Weizen folgte Ende September. Ein wenig ändere sich die Fruchtfolge auf den vier 30 Meter breiten und rund 100 Meter langen Streifen. Doch die Wissenschaft brauche die Unterstützung der Betriebe, und wer an Studien teilnehme, könne als erster von den Forschungsergebnissen profitieren.
Diese könnten durchaus die Agrarförderpolitik vom Kopf auf die Füße stellen. „Die Effekte in puncto Artenvielfalt lassen sich in der Höhe durchaus mit der Umstellung von konventioneller auf ökologische Landwirtschaft vergleichen“, sagt Gunnar Breustedt und beruft sich dabei auf Professor Teja Tscharntke, Agrarökologe der Universität Göttingen, der auf niedersächsischer Seite das Projekt betreut. Sollte sich dies bestätigen, sei es angebracht, über eine Förderung für den Streifenanbau nachzudenken.
Ohne ginge es nicht, so Gunnar Breustedt. „Wir versuchen abzuschätzen, welche Vorteile dies hat, welche Kosten unsere Anbauform bei konventionellen Landwirten veruracht und welche Förderung gesellschaftlich angemessen wäre.“ Dass die 1000 Euro Aufwandsentschädigung, welche die Projektteilnehmer pro Streifenfläche derzeit bekommen, nicht ausreiche, sei schon jetzt klar. „Wir hoffen, dass wir, wenn sich die Effekte bestätigen, einen Vorschlag für die Politik haben“, sagt der Wissenschaftler.