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Einfühlsam und emotional Versteckte Liebe: "Wir beide" mit Barbara Sukowa

Liebe und Zärtlichkeit im Alter sind nicht häufig auf der Leinwand zu sehen. Ein in die Jahre gekommenes Lesbenpaar noch weniger. So muss Barbara Sukowa in "Wir beide" auch gegen wohlbehütete Heimlichkeiten um ihre Liebe kämpfen.

Von Gerd Roth, dpa 03.08.2020, 07:36

Berlin (dpa) - Die beiden älteren Damen sind Nachbarinnen. Sie leben allein auf der letzte Etage in einem Wohnhaus irgendwo im schöneren Teil der französischen Provinz. Soweit die Fassade. Doch hinter dem bürgerlichen Schauspiel steckt eine zutiefst emotionale Geschichte.

Nina (Barbara Sukowa) und Madeleine (Martine Chevallier) sind nicht nur zwei inzwischen ältere Damen, sondern seit Jahrzehnten auch ein sich sehr heimlich liebendes Paar. Mit seinem Spielfilmerstling "Wir beide" schafft der italienische Regisseur Filippo Meneghetti eine einfühlsame Ebene für zwei überzeugend agierende Akteurinnen.

Schon die beiden Wohnungen sind Attrappe. Ninas Domizil ist kaum eingerichtet, alles karg und provisorisch, ein Bett dort nicht mal bezogen. Das Leben des Paares entfaltet sich auf der anderen Seite des Hausflurs: In Madeleines Apartment wohnen sie zusammen, kochen, essen, tanzen, lieben sich. Voller Harmonie schmieden sie noch Zukunftspläne: ein wahrhaft gemeinsames Leben in Rom, wo sie sich vor einer kleinen Ewigkeit kennen und lieben lernten.

Madeleine hat ihre große Liebe Nina geheim gehalten. Vor dem irgendwann gestorbenen Ehemann, den beiden inzwischen erwachsenen Kindern, der Enkelgeneration. Nina hat das all die Jahre eher hingenommen als akzeptiert. Aber für die gemeinsamen Rom-Pläne ist der entscheidende Schritt zur Wahrheit notwendig: Madeleines Outing, das Bekenntnis zur großen, gemeinsamen Liebe. "Ich wollte euch etwas sagen, dass sehr wichtig für mich ist...", setzt Madeleine an ihrem Geburtstag im Familienkreis zu neuer Offenheit an. Doch nach schmerzhaft langen Sekunden kommt sie über ein "...dass ich euch lieb hab'" nicht hinaus.

Rom scheint auf dem Spiel zu stehen. Nina ist stinksauer. Das Beziehungsdrama könnte seinen Lauf nehmen. Doch Madeleine erleidet einen Schlaganfall. Das lange Schweigen nimmt Nina nun jede Möglichkeit, sich um ihre kranke Geliebte zu kümmern. Keine Rechte im Krankenhaus, die Pflege daheim übernimmt eine wenig engagierte Kraft, Madeleines zunehmend misstrauische Kinder schotten die nur langsam Genesende ab.

Nina muss mit aller Kraft und Liebe für die gemeinsame Zukunft kämpfen. Dabei kann sie auch auf die Wirkung des alten italienischen Schlagers "Chariot" setzen, das Lieblingslied der beiden von Freiheit Träumenden: "Du wirst mit mir zusammenleben, die Erde wird grenzenlos sein."

Regisseur Meneghetti kann mit der Französin Chevallier und der auch nach drei Jahrzehnten in New York immer noch als halbe Berlinerin geltenden Sukowa auf zwei ebenso erfahrene wie sensible Schauspielerinnen setzen. Denkbare Stolperfallen etwa bei Liebesszenen sowohl zweier Frauen als auch zwei älterer Menschen umgeht Meneghetti mit viel Feingefühl. Nichts wirkt komisch oder peinlich.

Sukowa erzählte im Interview der Nachrichtenagentur dpa im Rückblick auf den Film: "Ich habe mit einem jungen italienischen Regisseur gearbeitet, ein Film über zwei ältere Lesben. Da habe ich mich erst gefragt, wieso macht ein junger Mann so einen Film über zwei alte Frauen?" Die Schauspielerin hat die Antwort bei den Dreharbeiten gefunden: "Er hat sich für die Menschen interessiert, das hatte gar nicht unbedingt mit Frauen zu tun. Er hat sensibel gearbeitet, geschaut, gehört."

- Wir beide, Frankreich, Luxemburg, Belgien 2019, 95 Min., FSK ab 6, von Filippo Meneghetti, mit Barbara Sukowa, Martine Chevallier, Léa Drucker, Jérôme Varanfrain.

© dpa-infocom, dpa:200730-99-977144/6

Wir beide