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Kabarett Warum der Mops in die Küche kam

„Nervt!“ ist der Titel des neuen Soloprogramms von Kabarettist Frank Hengstmann. Fazit der Premiere: zwei Stunden vortreffliches Amüsement.

Von Claudia Klupsch 29.01.2016, 23:01

Magdeburg l Es kann funktionieren, wenn die Söhne dem Vater die Regieanweisungen geben. Sebastian und Tobias Hengstmann haben „den Alten“ gut eingestellt. Der hat ordentlich zu ackern. Texte, deren Wort-Akrobatik schwierig zu sprechen und deren Pointen nicht vergeigt werden dürfen, fordern ihm alles ab. Doch Bühnenhaudegen Frank Hengstmann kommt durch, kann über sich selbst am besten lachen, wenn er sich dann doch mal verhaspelt. Scheinbar mühelos gelingt es ihm, in neun verschiedene Rollen zu schlüpfen und zwischen grundverschiedenen Charakteren hin und her zu springen.

Da ist zu Beginn der Pianist, um den Hals den obligatorischen Seidenschal geschlungen. Hengstmann lässt ihn sich die Lockenmähne affektiert zurückwerfen, verzückt vom eigenen Klavierspiel. Jene Figur stimmt auf das Programm ein. Heute wird der Temperamentslehre der alten Griechen auf den Zahn gefühlt. Sind wir nicht alle ein bisschen Choleriker, Melancholiker, Sanguiniker und Phlegmatiker? Oder ist jeder nur eines?

Jeden Typus bringt Hengstmann fortan auf der Bühne zum Leuchten und verfährt dabei nach dem Prinzip „Erkenne das dargestellte Temperament!“. Günstig, dass nun allerlei Figuren auch allerhand komische bis satirische Spitzen zur aktuell-politisch-gesellschaftlichen Lage in eigener Manier von sich geben können.

Verwandlungskünstler Hengstmann bedient sich nur weniger Ausstattungsgegenstände, die neunfache Persönlichkeitsspaltung ins Bild zu setzen. Mit Sprache, Stimme und Gestus gelingt es ihm, all diese schrägen Typen lebendig werden zu lassen. Johann Menschlieb Wohlgefallen, dessen Name Programm ist, „pöchelt das Herz“ in grenzenlosem Optimismus. Für ihn ist Bundeskanzlerin Merkel die „wahre Humanistin“, beteuert er, um sich dann doch mit dem Satz „Angela, du schaffst uns“ zu verplappern.

Im Kontrast dazu steht der wüste Proll mit Prinz-Heinrich-Schirmmütze, der derbe vom Rednerpult aus Politiker als Volkstreter beschimpft und sich mit dem Leitartikel die Rosette putzt. Wütend sein Kampflied: „Es ist wie es ist, es ist alles Mist“. Der Mann mit Pudelmütze dagegen klagt herzerweichend, denn er leide an „Konfliktmagnetismus“, will aber eigentlich Mutter Erde noch nicht einmal mit Ski-Stöcken „sinnlos zerstechen“.

Manni Fest, die Hengstmannsche Paradefigur, sticht alle aus. Seine Lage sei wie eine WBS 70 ohne Fenster – aussichtslos. In herrlich überzogenem Machteborjisch wettert er gegen „Perfida“ in Dresden, den Spaziergang von unterentwickelten über-30-jährigen Grundschülern, die für ihre gebastelten Galgen im Werkunterricht eine Sechs kassiert hätten. „Die wollten den Siggi da dranbammeln, aber der Galgen hätte den nie ausgehalten.“

Den Höhepunkt liefert Hengstmann mit der Parodie zweier in der TV-Talkshow von „Frau Will und kann nicht“ miteinander duellierender Politiker. Das Publikum johlt, als die „beiden“ – statt die Frage nach der „Flüchtlingswelle“ zu beantworten – sich an der Grundfrage abarbeiten, warum der Mops in die Küche kam. Hengstmann in Höchstform! Fast ist vergessen, dass sich wirklich nur eine Person im Wortgefecht um eine eierstehlende Töle befindet.

Dem Kabarettisten sind die Figuren und deren Texte auf den Leib geschrieben. Hengstmann lebt diese Typen. Auch lässt er erahnen, dass er abendfüllende Angela-Merkel- und Helmut-Kohl-Parodien zum Besten geben könnte. Das Publikum ist sehr gut unterhalten, wenn auch die wirklich beißende, denkanstoßende Satire zu kurz kommt und mancher Anlauf zur Pointe zu lang gerät. Publikumsliebling Frank Hengstmann hat ein erlebenswertes neues Programm – buchbar in „nach Hengstmanns“.