Der Film "Zero Dark Thirty" von Regisseurin Kathryn Bigelow kommt heute in die Kinos Auf der Jagd nach Osama bin Laden
Oscar-Preisträgerin Kathryn Bigelow bringt die Jagd auf Osama bin Laden ins Kino - und sich damit ein weiteres Mal für die begehrte Film-Trophäe ins Gespräch. Ihr Film "Zero Dark Thirty" über das US-amerikanische Trauma ist ein intensives Meisterwerk geworden.
Berlin (dpa) l Die Nachricht ging um die Welt. Am 2. Mai 2011 verkündete US-Präsident Barack Obama: Osama bin Laden, der meistgesuchte Terrorist der Welt, ist tot. Fast zehn Jahre nach den Anschlägen vom 11. September hatte eine Spezialeinheit des US-Militärs den Al-Qaida-Chef in einem Haus in Pakistan getötet. Mehr als anderthalb Jahre nach seinem Tod kommt die Jagd auf den "Topterroristen" heute ins Kino und geht mit fünf Nominierungen ins Oscar-Rennen.
Regisseurin Kathryn Bigelow, die mit ihrem Kriegsfilm "Tödliches Kommando - The Hurt Locker" 2010 als erste Frau den Regie-Oscar gewann, erzählt die Geschichte der "größten Verbrecherjagd der Welt" - so der Untertitel - aus Sicht der jungen CIA-Agentin Maya (Jessica Chastain). Die verschreibt sich, frisch von der High School rekrutiert, dieser zunächst fast aussichtslos wirkenden Jagd bedingungslos.
Die Suche, das merkt die junge Frau schnell, gleicht der nach der Nadel im Heuhaufen. Endlose Verhöre reihen sich aneinander, immer wieder führen Spuren ins Leere. Gleich bei ihrem ersten Einsatz in Pakistan muss Maya begreifen, dass auch Folter künftig zu ihren Mitteln gehören wird. Zu Beginn des Filmes sieht sie zu, wie ihr Kollege Dan (Jason Clarke) einen Verdächtigen mit Waterboarding, simuliertem Ertrinken, quält und ihn in eine Kiste sperrt. Sie kann zuerst kaum hinsehen, hilft aber dabei - auch wenn der Verdächtige sie um Hilfe anfleht und ihr sagt: "Dein Freund ist ein Tier."
Film löste in den USA eine Debatte um Folter aus
Wegen dieser Sequenzen löste der Film in den USA schon vor Kinostart eine Folter-Debatte aus. Schließlich ist sie im Film ein wichtiges Mittel für den Erfolg der Suche nach bin Laden. Gerade dadurch aber, dass Bigelow das einfach und scheinbar ohne Wertung darstellt, entfaltet ihr Film eine immense moralische Wucht.
Chastain (die mit ihrer Rolle in "The Tree of Life" an der Seite von Brad Pitt ihren Durchbruch feierte) spielt die junge, besessene Agentin, die keine Emotionen zulässt und sich selbst, nachdem vor ihrem Haus auf sie geschossen wird, höchstens eine Sekunde zum Durchatmen erlaubt, mit einer großen Intensität und Präsenz. Dafür erhielt sie auch schon einen Golden Globe und eine Oscar-Nominierung als beste Hauptdarstellerin.
"Zero Dark Thirty" handelt von falschen Fährten, von Rückschlägen, von kollegialem Misstrauen, von Folter und Schmerz, von Terror und Einsamkeit. Es ist ein Abriss der jüngsten Zeitgeschichte, geht ein auf die Anschläge vom 11. September 2001 und auf die von London im Sommer 2005, aber auch auf Diskussionen um Abu Ghoreib, Guantanamo und die Frage nach der Würde des Menschen. Das Drehbuch vom ebenfalls für "The Hurt Locker" mit dem Oscar ausgezeichneten Autor Mark Boal, an dem er schon lange gearbeitet hatte, musste nach dem Tod bin Ladens 2011 umgeschrieben werden - und endet nun mit dem Ereignis, dessen Bilder wohl jeder kennt: mit dem Sturm der Spezialeinheit Navy Seals auf bin Ladens Festung in Abbottabad, nördlich der pakistanischen Hauptstadt Islamabad.
Dieser Sturm ist auch titelgebend. "Zero Dark Thirty" ist ein Ausdruck im Militärjargon und bezeichnet eine halbe Stunde nach Mitternacht - den Zeitpunkt, zu dem der Sturm auf bin Ladens Versteck begann, und den Zeitpunkt, in der sich die Filmatmosphäre dramatisch ändert. Ist die Geschichte bis dahin eher psychologisches Kammerspiel mit der zermürbenden Spannung eines Schachspiels als ein Action-Film, ändert sich das mit dem Sturm auf das Versteck grundlegend. Die dokumentarisch anmutenden Sequenzen haben beinahe die Optik eines Computerspiels und ziehen den Zuschauer bedingungslos hinein in die atemraubende Spannung der Elite-Soldaten.
Bigelow erzählt die Geschichte frei von Pathos, aber auch ohne erhobenen moralischen Zeigefinger. Sie hat einen trotz seiner Länge von rund zweieinhalb Stunden unglaublich spannenden und bildgewaltigen Film vorgelegt, dessen Wucht dem entsprechen dürfte, was die Jagd auf Osama bin Laden für die USA bedeuteten.