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Monika Gibas aus Magdeburg forscht zum Verbleib jüdischen Eigentums in Sachsen-Anhalt Auf der Suche nach verlorenem Besitz

Ein zweijähriges Projekt der Otto-von-Guericke-Universität und des
Landeshauptarchivs will die Rolle der Auktionshäuser bei der
Ausplünderung von Juden in Sachsen-Anhalt erforschen.

Von Uta Baier 23.08.2013, 01:10

Magdeburg l Zum zehnten Mal hat die Berliner "Arbeitsstelle für Provenienzforschung" Geld für Wissenschaftler bereitgestellt, die sich auf die Suche nach dem verschollenen (Kunst-)Besitz vertriebener und ermordeter deutscher Juden machen. Dieses Mal ist auch ein Projekt aus Sachsen-Anhalt dabei. Die Historikerin Monika Gibas, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Geschichte der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, bekommt es für ihre Forschungen. Dabei geht es um die Bedeutung von öffentlich bestellten Versteigerern bei der Ausplünderung von Juden in Sachsen und in der Provinz Sachsen. Das Projekt ist eine Kooperation zwischen dem Institut für Geschichte und dem Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt.

Monika Gibas kennt sich mit diesem Thema bestens aus, denn sie hat bereits über "Arisierungen" in Thüringen und Sachsen geforscht und bereitet gerade eine Ausstellung über "Jüdische Soldaten Magdeburgs im Ersten Weltkrieg" für das Kulturhistorische Museum in Magdeburg vor (Eröffnung Anfang 2014).

Bei einem ähnlichen, von Gibas geleiteten Forschungsprojekt in Leipzig analysierte der Sozialwissenschaftler Thomas Ahbe die kompletten Akten des Versteigerungshauses Hans Klemm, das den Besitz vieler Leipziger Juden versteigerte.

Obwohl Kunstbesitz meist schon aussortiert worden war, kamen noch viele Kunstwerke in die Auktionshäuser. Auch bei den Leipziger Klemm-Versteigerungen ging es nicht nur um Hausrat und Möbel, Kleidung, Geschirr und Wäsche. Deshalb ist es durchaus möglich, dass im Zuge des Magdeburger Forschungsprojektes auch Kunstwerke auftauchen. Die Leipziger Akten enthielten äußerst detaillierte Informationen über die Auktionen.

Zum Beispiel fand Thomas Ahbe die genaue Auflistung eines Kofferinhaltes. Im Koffer waren unter anderem: "zwei Kindermäntel, zwei Kinderhosen, sechs Kinderschürzen, 13 Kinder-Hemdchen, 12 Waschhöschen und Jäckchen, 12 Kinder-Strickjacken." Es waren die Dinge, die Regina B. für ihren zweieinhalb Jahre alten Sohn Peter Christian B. vor der Deportation zusammengepackt hatte und in Leipzig zurücklassen musste.

Ob Monika Gibas zu ähnlich konkreten Ergebnissen in Sachsen-Anhalt kommt, ist nicht absehbar. Bei ersten Stichproben im Landeshauptarchiv wurden noch keine so speziellen Auktions-Akten gefunden - doch das Projekt steht erst am Anfang.

Immerhin sind die Basisdaten bekannt: Im Stadtkreis Magdeburg gab es 1933 1973 Juden. 1939 waren es nur noch 668. In Dessau gehörten 1933 360 Menschen zur jüdischen Gemeinde, 1939 waren es nur noch 120. Außerdem sind drei Magdeburger Kaufhäuser mit jüdischen Besitzern bekannt: Das prominenteste Kaufhaus der Stadt, das Kaufhaus der Gebrüder Barasch am Breiten Weg, das Kaufhaus Gebrüder Karfiol in der Jakobstraße und das Kaufhaus Salberg. Über das Schicksal ihrer Besitzer weiß man heute schon einiges. "Wo aber der Hauptteil des Besitzes blieb, den die Exilanten und die in Vernichtungslager Deportierten zurücklassen mussten und wer ihn versteigerte, soll nun erforscht werden", sagt Gibas.

Eine Spur auf der Suche nach den Versteigerungshäusern hat sie bereits: Sie kennt die "Bezirksgruppenverantwortlichen der Fachgruppe Versteigerer": Für Mitteldeutschland war das Alfred Biesenthal aus Magdeburg, für den Regierungsbezirk Magdeburg steht Gustav Keßler aus Neuhaldensleben auf einer Liste. Auch die Namen der Kunst-Gutachter sind in Listen verzeichnet.

Am Ende des zweijährigen Forschungsprojekts wird Gibas ihre Ergebnisse veröffentlichen und die neuen Fakten allen Forschern und Interessierten in einer Datenbank zur Verfügung stellen.