Kammerorchester und Rundfunk-Jugendchor spielen gemeinsam Benefizkonzert zur Restaurierung der Jesse-Orgel aus Deersheim
Wernigerode l Das Philharmonische Kammerorchester und der Rundfunk-Jugendchor Wernigerode gaben am Sonnabend in der voll besetzten Kirche St. Sylvestri ein Baustellen-Benefizkonzert zur Restaurierung der Jesse-Orgel von 1790. Ein erstes Konzert hatte im April mit dem Ökumenischen Bläserchor, dem Blockflötenquintett und Kirchenmusikdirektor Dietmar Damm stattgefunden. Das ehemals in der Deersheimer Kirche beheimatete Instrument steht jetzt in Wernigerode. Für seine Restaurierung durch die renommierte Halberstädter Orgelbaufirma Hüfken werden rund 51000 Euro benötigt.
Schwebende Harmonien
Ein Komponist stand im Zentrum der Aufmerksamkeit: der Waliser Karl Jenkins, geboren 1944, als Saxofonist und Jazz-Oboist der Gruppen "Soft machine" und "Adiemus" bekannt geworden. Diese Herkunft aus Rock und Jazz kennzeichnet auch sein kompositorisches Schaffen.
Das Kammerorchester spielte unter Leitung von Musikdirektor Christian Fitzner die vor 30 Jahren entstandene Streichersuite "Palladio", die von den venezianischen, symmetrischen Bauten des Renaissance-Architekten Andrea Palladio intendiert wurde. Mit nur 13 Streichern gelang eine zauberhaft leichte, meditative Musik. Sie entwickelt sich aus motorisch treibenden Motiven zu schwebenden Harmonien und blühenden Melodien. Einzelne Instrumente erhalten Soloaufgaben; die Klänge haben Echowirkung und steigern sich aus wenigen Rhythmus-Figuren zu intensivem Orchesterklang. Der erste Satz war ursprünglich für die Diamantenwerbung komponiert. Ein origineller Edelstein ist die Komposition in der Tat!
Das auf den Tag genau vor sieben Jahren am 2. Juni 2005 uraufgeführte "Requiem" für Chor und Orchester war eine ergreifend-innige Zwiesprache mit den Verstorbenen. Es setzte ethnische Klänge aus Japan in den 17-Silben-Haikus "The Snow Of Yesterday" oder "From Deep In My Heart" ebenso ein wie liturgische Hymnen voller Kraft wie "Dies irae" (Tage des Zorns) oder "Rex tremendae" (König schrecklicher Gewalten). Jenkins nutzte alte Stundengebete. Sensibles Instrumentarium (mit Harfe, Flöte und Violinen als Soloinstrumenten), mit einem wunderschönen Sopran-Solo, mit Frauen- und Männerstimmen weisen ihn als Komponisten vieler Klangfarben aus. Er verwendete ältere Gesänge und komponierte sie um wie "Lacrimosa" (Tag der Tränen) oder "In paradisum" (Zum Paradies mögen Engel dich geleiten). Der Chor liebt diese Musik geradezu - wie vor 50, 60 Jahren die Sänger von Carl Orffs "Carmina burana". Das war unverkennbar.
Gesänge wie im Paradies
Ein Klang wie himmlische Gesänge im Paradies. Chorleiter Peter Habermann, die Musiker, Sänger und Solisten ziselierten ein Tongemälde von größter Wirkung. Am beeindruckendsten war der bei einem Chor dieser Größe nie gehörte Klang. Die Sängerinnen und Sänger standen nicht nach Stimmgruppen geordnet, sondern vollkommen frei nebeneinander. Ein Sopran neben einem Bass, ein Alt neben einem Tenor. Wahre Allstars des Chorgesangs, die nicht die Stütze und Sicherheit der Stimmgruppen brauchten.
Das ergab einen geradezu schwebenden, zarten, filigranen Chorklang, der aus der Tiefe und Weite des Raumes zu kommen schien. Ein ganz großartiges Ereignis!