Jürgen Karney, neuer SAW-Moderator und alter DDR-Entertainer, im Volksstimme-Interview "Bong war ein bisschen Revolution"
Magdeburg I "Mr. Bong" Jürgen Karney moderiert jetzt allmorgentlich bei Radio SAW. Oliver Schlicht sprach mit dem Urgestein der DDR-Unterhaltung über "Bong", Stasi und Florian.
Volksstimme: Herr Karney, haben Sie ein Problem damit, wenn Sie noch heute auf die DDR-Popsendung "Bong" angesprochen werden?
Jürgen Karney: Nein. Da bin ich sehr stolz drauf. Das zeigt doch, dass Musik einen hohen emotionalen Faktor hat, der für eine gewisse Lebenszeit prägend ist. Wir haben mit dieser Sendung schon ein bisschen Revolution im DDR-Fernsehen gemacht. Und so etwas bleibt eben hängen.
Volksstimme: Revolution? Also wenn ich 1984 im Studentenklub meine Tanzpartnerin gefragt hätte, ob sie gestern auch die tolle "Bong"-Sendung gesehen hat, hätte es vermutlich niemals bong gemacht. Das war doch ein peinliches DDR-Eigengewächs, was bei jungen Leuten nicht wirklich angesagt war, oder?
Karney: Mein Ehrgeiz war es, von "Bong" bis "Kessel Buntes" alles so unterhaltsam und locker wie möglich zu machen. Es gab vieles in "Bong", was es im DDR-Fernsehen zuvor so nicht gegeben hatte.
Volksstimme: Zum Beispiel den Untertitel "Hitparade der Popmusik". Eine Abstimmung darüber, was die Menschen am liebsten hören wollen, hat es in der DDR doch nie gegeben - aus politischen Gründen. Ging da nicht der Etikettenschwindel schon los?
Karney: Die Musiktitel in "Bong" waren die Hits der Zuschauer, die sich per Postkarte an der Abstimmung beteiligt haben. Man kann darüber streiten, ob das repräsentativ ist. Aber es war so, es ging nicht anders. Im Übrigen gibt es auch in anderen Ländern Hitparaden, die auf Votings beruhen.
Volksstimme: Waren TV-Formate wie "Bong" nicht Versuche der Partei, Westsendungen zu imitieren, um eine lockere und freie Atmosphäre in der DDR vorzugaukeln? Kamen Sie sich da nicht benutzt vor?
Karney: Ich mag es, Menschen zu unterhalten und habe deshalb meinen Beruf sehr gern ausgeführt. Nachdem der Staat abgewickelt wurde, mache ich mir keine Vorwürfe, das getan zu haben. In der Tat hätte man sagen können, du machst hier den Clown und lässt dich benutzen. Aber diesen Gedanke hatte ich nicht wirklich. Wir haben oft diskutiert - Bekannte, Musiker, Bands, Moderatoren, Schlagersänger. Lassen wir uns jetzt hier benutzen? Hätten wir das bejaht, hätten wir kollektiv einen Ausreiseantrag stellen müssen. Dann hätte es keinen Rock, keinen Schlager und keine Unterhaltungssendung in der DDR gegeben. Das war nicht meine Intension und offensichtlich auch nicht die vieler anderer Kollegen.
Volksstimme: Als wichtige Persönlichkeit der DDR-Unterhaltung hatten Sie viele Kontakte zu Künstlern. Deshalb hat sich auch die Stasi für Sie interessiert. Ab 1987 gab es Kontakte. Eine von ihnen unterschriebene IM-Erklärung wurde aber nicht gefunden. Wie konnten Sie sich dieser Zusammenarbeit entziehen?
Karney: Indem ich einfach gesagt habe: Nein, mache ich nicht. Das ist so. Man hat Gespräche mit mir geführt. Das hat mich auch nicht verwundert. Ich bin dann gefragt worden, ob ich beim Kongress für Unterhaltungskunst in den Arbeitsgruppen Notizen machen könnte. Dies habe ich verneint - übrigens in Gegenwart meiner damaligen Frau. Konspirative Gespräche gab es nie - so steht es auch in meiner Akte. Da ich die Zusammenarbeit abgelehnt habe, hat man die Gespräche mit mir beendet. Ich sei ungeeignet, steht am Ende meiner 17-seitigen Stasi-Akte.
Volksstimme: Und warum hat man Sie dann 1995 beim Berliner Rundfunk wegen ihrer Stasi-Verstrickungen entlassen?
Karney: Weil die Akte auf dem Tisch lag und die damaligen Geschäftsführer darüber so erschrocken waren. Ohne diese Akte zu lesen, haben die mich beurteilt und dies über eine Pressemitteilung bekannt gemacht. Später wurde die Akte veröffentlicht, und ich wurde gewissermaßen rehabilitiert. Auch der Berliner Rundfunk wollte mich zurückhaben, aber mittlerweile gab es ein Angebot von Burda. Und dahin wollte ich auch viel lieber, als zum Berliner Rundfunk zurückzukehren.
Volksstimme: Sie haben ab 1972 im Fernsehturm und im legendären "Alex-Treff" Platten aufgelegt - so mitten im Machtzentrum der SED auch Musik von den Stones oder Led Zeppelin?
Karney: Na klar. Und ich möchte nicht wissen, wer da so alles im Saal war. Doch die Leute, die da beruflich geguckt haben, hatten ganz andere Sorgen, als auf die Musik zu hören. Denn im "Alex-Treff" waren sehr viele Gastarbeiter aus West-Berlin. Die haben sich 20 Deutsche Mark umgetauscht und dann den Cognac ausgegeben. Musik aus dem Osten war vor allem Livemusik. Nina Hagen ist im "Alex" zuerst aufgetreten. Und Omega aus Ungarn.
Volksstimme: Als neuer Radio-SAW-Moderator kehren Sie so gesehen ein Stück weit zu ihren Ursprüngen zurück. Gibt es denn eine Seelenverwandtschaft mit "Muckefuck"-Partner Volker Haidt? Der kommt ja aus dem Westen.
Karney: Absolut. Während wir "Bong" gemacht haben, hat Florian Haidt drei Kilometer entfernt in der Westberliner Oberlandstraße vor der Kamera gestanden und seine Schlager gesungen.
Volksstimme: Ach was. Volker und Florian Haidt ist die gleiche Person?
Karney: Ja, aber sicher. (singt) "Rote Lippen, rote Rosen, roter Wein" - das war mal ein Top-Ten-Hit von Florian Volker Haidt. Sorry, ich provoziere jetzt etwas: Florian hat sich vor den Karren des Kapitalismus spannen lassen. Während ich mich vor den Karren des Sozialismus habe spannen lassen. Er kommt aus der gleichen Branche. Wir verstehen uns.
Volksstimme: Mit Ihrer Frau haben Sie sich am Ende nicht mehr verstanden und sind aus dem gemeinsamen Haus am Müggelsee ausgezogen. Gibt es denn schon eine neue Frau in ihrem Leben?
Karney: Klar. Die ist ein bisschen jünger als ich. Sie rüttelt mich wach und hält mich jung.
Volksstimme: Kommt sie auch aus der Showbranche? Wie viel jünger ist sie denn?
Karney: Ende 30 ist sie und macht etwas völlig anderes. Sie arbeitet bei einer Bank. Das ist eine ganz andere Welt und deshalb sehr erfrischend.
Volksstimme: Haben Sie ihr denn schon mal eine alte "Bong"-Sendung vorgespielt?
Karney: Ja. Sie wollte das gern mal sehen, denn sie kannte das nicht. Da habe ich eine DVD eingelegt.
Volksstimme: Und?
Karney: Sie fand es cool. Aber okay, sie ist verliebt in mich.