Damals ein Aufreger, heute ist es Gewohnheit

Von Liane Bornholdt

Magdeburg. Man muss es hören, wie Hans-Günther Pölitz "Muttilein" sagt. Seit 14 Jahren hören es Radiohörer allsonnabendlich beim "Pölitz-Frühstück" auf Radio MDR I. Da kann man den Magdeburger Kabarettisten beim "Abwatschen und Teetrinken" zuhören, wie es das imaginäre "Muttilein" eben auch tut. Alles sollte beim "Muttilein" aus seinem Munde bleiben, aber er wurde bedrängt, seine Frühstückskommentare aufzuschreiben, für jedermann zum Nachlesen. Jetzt ist "Abwatschen und Teetrinken" beim Eulenspiegel Verlag erschienen, und der Autor stellte es am Montag in der ausverkauften Magdeburger Zwickmühle vor.

Vorstellen ist bei Hans-Günther Pölitz mit Vorstellung verbunden, mit Kabarettvorstellung natürlich, und er gestaltete seine Frühstückssammlung zu einem furiosen Solo für einen Spieler und ein Buch. Nach der satirischen Einführung hatten es die Texte leicht, obwohl sie es in sich haben, gerade durch die Lesung. Hans-Günther Pölitz ist Vollblutkabarettist mit besonderer Begabung für treffliche tagesaktuelle Satire. In dem Buch begegnet nun dem Leser das Tagesaktuelle als eine satirische Chronik der vergangenen 14 Jahre, und es stellte sich heraus, dass diese Art Rückschau – Pölitz begann seine Lesung mit den ersten Texten von 1997, sprang dann, auch nach den Wünschen des Publikums, ins Jahr 2000, 2004, 2006 – ausgesprochen aufregend wurde.

Das, was nämlich damals die großen Aufreger gewesen sind oder als Zumutungen der aktuellen Politik daherkamen, sind die heutigen Alltäglichkeiten und führen dem Leser vor, dass er all diese reformfreudigen Zumutungen wohl oder übel geschluckt hat. Da gab es die Einführung der Ökosteuer, es gab die Praxisgebühren beim Arzt, die auch nicht wieder verschwanden, es gab auch die Betrügereien bei der Ab- und Umwicklung der ostdeutschen Industrie, es gab heiße Debatten über die Bildungsmisere und die Pisa-Ergebnisse. Manches, was einst Gegenstand der Politsatire war, ist heute Gewohnheit, nach der kein Hahn mehr kräht, oder sogar nostalgische Idylle.

Ein wenig Zynismus mag Hans-Günther Pölitz seinen Zuhörern und Lesern nicht ersparen. Er belohnt sie aber dafür mit brillantem Kabarett, zu dem die Vorstellung am Montagabend geworden ist, und das man mit gehörigem Sinn für Zeitgeschichte aus den Texten herauslesen kann.

Hans-Günther Pölitz. Abwatschen und Tee trinken. Satiren. Eulenspiegel Verlag, ISBN:978-3-359-02271-8