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DDR-Geschichte Kurt Drummer: Der erste deutsche Fernsehkoch

Vor 50 Jahren am 5. August 1968 startete Kurt Drummer seine Karriere als DDR-Fernsehkoch.

Von Manfred Zander 05.08.2018, 19:08

Gebe es eine Hitliste der beliebtesten Sendungen im verblichenen Adlershofer Fernsehen, dann gehörten die mit Kurt Drummer (1928 bis 2000) gewiss zu den Spitzenreitern. Zwischen 1958 und 1983 erklärte der Sachse aus dem erzgebirgischen Gornsdorf den Hausfrauen und ausdrücklich auch den Hausmännern die Kniffe der Kochkunst.

Eingangs beantwortete Drummer häufig die Fragen von Zuschauern; in einer Sendung Anfang der 1960er Jahre auch die von Irene O. aus Magdeburg. „Lieber Fernsehkoch“, zitierte Drummer aus dem Brief, „ich bin noch eine ganz junge Hausfrau und habe leider gar keine Vorbildung für die Hauswirtschaft. Was kann man beispielsweise mit Rinderbrust machen? Im Kochbuch steht zu wenig darüber.“ Dann wendete sich Drummer zur Kamera als spräche er zu Irene O.: „Ihren vollen Namen liebe Frau Irene habe ich bewusst nicht genannt, weil es niemand etwas angeht, dass Sie noch eine junge und unerfahrene Hausfrau sind.“

Dann legte der Koch den Brief aus der Hand, lehnte sich mit dem Rücken locker an die Arbeitsplatte der Studioküche, holte tief Luft und gab die Kritik der Zuschauerin aus Magdeburg an die Buchverlage weiter. Er habe mal in den im Angebot befindlichen Kochbüchern nachgeschaut und musste feststellen, dass dort die Rinderbrust „ziemlich stiefmütterlich behandelt und zum Teil sogar unterschlagen wird“. Dabei sei Rinderbrust, richtig zubereitet eine Delikatesse.

In den folgenden knapp zehn Minuten zeigt er dann an Arbeitstisch und Herd, wie sich aus den Zutaten leckere „Rinderbrust in pikanter Gemüsesoße“ zubereiten lässt. Möglicherweise probierte Irene O. das Rezept bald darauf einmal aus.

Zum ersten Mal schlüpfte Kurt Drummer am 5. August 1958 in die Rolle des Fernsehkochs. Zu dem Zeitpunkt war er 30 Jahre alt und stand vor dem Wechsel vom Küchenchef des Hotels „Erfurter Hof“ in der thüringischen Bezirksstadt zum Küchenchef des Carola-Hotels in Karl-Marx-Stadt. Eine Rückkehr. Ein paar Straßenzüge entfernt, hatte er im Hotel „Chemnitzer Hof“ von 1942 und 1944 den Kochberuf erlernt. Inzwischen kamen der Meisterbrief und das Diplom als Ernährungswissenschaftler hinzu.

Drummer nahm die Zuschauer ernst. Und ging ihren Hinweisen nach. In Kochbüchern, die er gemeinsam mit Käthe Muskewitz verfasste, behob er den Mangel und sorgte zudem in den Regalen der Buchhandlungen für mehr Abwechslung. Mehrere der Titel wurden das, was heute ein Bestseller genannt wird. Besonders trifft das auf das Kochbuch „Von Apfelkartoffeln bis Zwiebelkuchen“ zu. In ihm wurden Rezepte der bis dahin meist sträflich vernachlässigten regionalen Küche zwischen Elbe und Oder, Rügen und Fichtelberg gesammelt.

Kurt Drummer bildete Lehrlinge aus, war Chef der Meisterprüfungskommission für die thüringischen Bezirke Erfurt, Gera und Suhl, später für die sächsischen Bezirke Dresden, Leipzig und Karl-Marx-Stadt. Wenn es ums Kochen und um Ernährung ging, galt er als Fachmann erster Güte. Das hatte sich bis in die Chefetage des Deutschen Fernsehfunks (DFF) in Berlin-Adlershof herumgesprochen. So kam es fast auf den Tag genau vor 60 Jahren zur Premiere.

Aufgezeichnetes Material des Erstlings ist nicht überliefert. Einzig der Sendelaufplan blieb erhalten. Der Start erfolgte innerhalb der „Sendung für die Frau“ und hieß „Köstliche Fischgerichte“. Bis zum 27. August 1983 sollten weitere 649 Kochsendungen mit Kurt Drummer folgen. Sendetermin war meist der Sonnabend. Die Titel wechselten. Dem ersten folgten „In den Kochtopf geguckt“, „Der Fernsehkoch“, „Fernsehkoch Kurt Drummer empfiehlt“ oder „Der Fernsehkoch serviert“. Ab Anfang der 1960er Jahre hieß es dann „Der Fernsehkoch empfiehlt“.

Wie man in Adlershof auf die Idee zur Kochshow gekommen war, ist nicht bekannt. Möglicherweise hatte man sie sich aus dem Westfernsehen abgeschaut. Im Norddeutschen und Westdeutschen Fernsehen lief seit 1953 die Sendung „Bitte, in zehn Minuten zu Tisch“. Allerdings hatten die NWDR-Chefs dafür keinen Koch, sondern den Schauspieler Carl Clemens Hahn von der Hamburger Kleinen Komödie verpflichtet, der unter seinem Pseudonym Clemens Willenrod Küchentipps an die Frau brachte. Willenrod schrieb sich die Erfindung des Toastes Hawaii und der gefüllten Erdbeere zu.

Wenn es hierbei um des Kaisers Bart ginge, dann dürfte Kurt Drummer als der erste deutsche Koch gelten, der in einer Fernsehsendung regelmäßig Tipps zu den Themen Küche, Kochen und Ernährung gab.

Die Adlershofer Entscheidung für ihn erwies sich als Glücksgriff. Fachlich war das ohnehin zu erwarten. Doch auch die sachliche und ruhige Art des Sachsen kam bei den Zuschauern gut an, umso mehr, da er die nördlich seiner Heimat nicht sehr geachteten sächsischen Laute vor der Kamera weitgehend zu unterdrücken wusste.

Recht aufschlussreich ist, was einer seiner Nachfolger über ihn sagt. Im MDR nach Kurt Drummers Kochstil befragt, antwortete Christian Henze: „Er hatte einen zeitgemäßen Kochstil, sehr innovativ und mit dem Schwerpunkt auf dem Produkt, was ich heute auch noch ganz toll finde. Er hat immer versucht, die Produkte so naturbelassen wie möglich zu erhalten und den Eigengeschmack herauszuarbeiten.“

Es ließ sich auch anders sehen. Das bewies 1962 Peter Kniewel in der Bild-Zeitung: „Fallobst statt Schnitzel“ übertitelte er seinen Urteilsspruch zu einer Sendung, in der Drummer zeigte, wie vielfältig Kartoffeln in der Küche einsetzbar sind: „Kaum etwas spiegelt drastischer die katastrophale Ernährungslage in der Zone, als dieser Fernseh-Koch ... in der letzten Sendung richtete er an: Pommes frites ..., Kartoffelbrei ..., Kartoffelbällchen ... Kartoffelpuffer mit Apfelmus ..., Kartoffelsalat...“

Um nicht weltfremd zu erscheinen, musste Drummer in jeder Sendung auf die Angebotslücken achten, über die sich die Hausfrauen im Alltagsleben ärgerten. Deshalb dürfte manches Gericht, dessen Zubereitung er vielleicht gern empfohlen hätte, unerwähnt geblieben sein.

Der Mangel war nach Ansicht von Silvia Becker schuld daran, dass die Kochsendung 1983 auf Wunsch von Kurt Drummer eingestellt wurde. In ihrem vergleichenden Beitrag „Kochsendungen in der BRD und der DDR“ in den Norwestdeutschen Heften zur Rundfunkgeschichte meint die Autorin, Drummer sei es leid gewesen, die Zutaten für die Sendung besorgen zu müssen. Das mag sein. Allerdings erscheint es wenig wahrscheinlich, dass es dem inzwischen zum Fernsehfunk der DDR mutierten DFF unmöglich gewesen sein soll, die Zutaten für eine ohnehin streng am Angebot ausgerichtete Kochsendung zu beschaffen. Möglicherweise hatte Drummer, nach 650 Sendungen und rund 2000 vor den Kameras zubereiteten Rezepten einfach keine Lust mehr. Umso mehr, da er die Sendeverläufe selbst plante und die Texte ausarbeitete. Viel Arbeit nebenbei für einen Chefkoch der Vereinigung Interhotel.

Und dann war da noch die Sache mit dem Sandwich. Wie das zuzubereiten ist, wollte Kurt Drummer in einer Fernseh-Unterhaltungssendung seinem wortgewaltigen sächsischen Landsmann Eberhard Cohrs erklären. Vermutlich hatte der Meisterkoch der internationalen Klasse bis dahin noch nie einen begriffsstutzigeren und zugleich vorlauteren Kochlehrling an der Arbeitsplatte zu stehen gehabt. Da fehlten selbst dem fernsehgeschulten Drummer die Worte. Sprachlos musste er zusehen, wie der Komiker Cohrs den Kochtopf hervorholte und mit Wasser füllte, um den Sand für die Sandwiches zu kochen.