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Der Frühstücks-Etat oder:Alles vernichtende Sätze Von F.-René Braune

07.10.2010, 04:14

Als Harald am Telefon davon sprach, dass ihn jüngste Erlebnisse mit seiner Freundin Sabine erneut an der Richtigkeit seiner sexuellen Orientierung zweifeln ließen, sorgte ich mich um meinen Freund und lud ihn spontan auf einen Irish Coffee ein. Seine Antwort steigerte meine Neugier: "Das Getränk passt, denn die irische Freiheitsbewegung könnte mir zum Vorbild gereichen."

Als wir zehn Minuten später auf meiner Terrasse saßen, klagte mir Harald sein kürzlich erlittenes Leid: "Es war einer dieser Sonnabende, an denen man glaubt, die Welt vom Krebs befreien zu können", hub er an. "Unsere gefiederten Freunde jubilierten auf das Herzerfrischendste, goldene Sonnenstrahlen brachen sich frohgemut Bahn durch das überbordende Unterholz meines bescheidenen Anwesens und ich betrat im Herzen und Geiste frohlockend meine Terrasse in der Zuversicht, den von Sabine gedeckten Frühstückstisch unbeschwert bemannen zu können …"

Meinem Einwurf, ob er heimlich Goethe gelesen habe, folgte die Erwiderung, dass die blumige Ausdrucksweise vonnöten sei, um den sich anbahnenden Etat zu verdeutlichen. Ich verkniff mir die Korrektur zum Eklat und lauschte fasziniert weiter.

Relativ schnell sei sein Blick auf ein offensichtlich liebevoll eingewickeltes Schächtelchen gefallen, welchselbiges ein von Blumen umranktes Schildchen mit dem Schriftzug "Danke, Harald" zierte. Harald machte eine dramaturgisch durchdachte Pause und fuhr fort: "Als ich fragte, ob das für mich sei, wechselte Sabines warmherziger Blick in etwas kühlere Gefilde. Als ich dann aber darauf hinwies, dass mein Geburtstag erst in einigen Monaten sei, ließ sie – rein blicktechnisch betrachtet – zunächst eine neue Eiszeit aufleben, um mir nur Sekunden später einen wirklich fiesen, einen alles vernichtenden Satz, einen absolut finalen Satz ins Antlitz zu schmettern."

Harald unterbrach erneut, hob sein Glas und trieb die Spannung damit auf den Höhepunkt. "Welchen Satz?", rief ich.

Mein Freund zog eine Augenbraue hoch und zitierte seine Freundin in einem Tonfall, der an aufreizender Beiläufigkeit nicht zu überbieten war: "Heute vor fünf Jahren haben wir uns zwar kennengelernt, aber weil dir das ja nichts zu bedeuten scheint, sollten wir es dabei belassen und uns lieber dem Rasen zuwenden, der mal wieder gemäht werden müsste, aber vorher könntest du mir noch die Leberwurst reichen."

An dieser Stelle wollte Harald wissen, ob man den Irish Coffee auf den Whisky reduzieren könne und fragte mit einem Anflug von Verzweiflung: "Wie machen die das? Wieso schafft es eine Frau immer wieder, uns Männern das Gefühl zu geben, auf dieser Welt eigentlich überflüssig zu sein? Müssen wir denn wirklich dulden, dass sie uns nur erdulden? Und sind die eigentlich alle so? Können wir Männer denn nicht irgendetwas tun?"

Meine Antwort fiel recht kurz aus: "Natürlich kannst du etwas tun – du kannst dich damit abfinden. Jede andere Lösung wäre mit sehr viel Aufwand verbunden."

Als mein Freund sich anschickte, nachdenklich zu werden, fragte ich, was denn eigentlich in dem Schächtelchen für ihn gewesen sei.

"Zwei Karten für Romeo und Julia", hörte ich, aber die werde ich wohl gegen die Rocky Horror Picture Show tauschen."