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Kulturgeschichte Der Mann mit den zwei Facetten

Nur, weil er uns das Weihnachtsfest geschenkt hat, heißt das nicht, dass Konstantin der Große von christlicher Nächstenliebe geprägte war.

Von Dierk Strothmann 25.12.2016, 08:41

Berlin l Flavius Valerius Constantinus, den die Nachwelt „Konstantin den Großen“ nannte, war ein Machtmensch, der sich mit Brutalität an die Spitze des Römischen Reiches kämpfte und mit den Mitteln seinen Posten verteidigte. Und dass er in diesen Tagen vor 1680 Jahren, genau am 25. Dezember 336, erstmals und als erster Machthaber den Christen erlaubte, dass die Geburt Jesu Christi im Römischen Reich offiziell gefeiert werden durfte, war eher politisches Kalkül. Allenfalls war es ein Dankeschön für die Hilfe, die ihm seiner Meinung nach der Gott der Christen für Siege gegen seine Widersacher geleistet hatte. Aber das ist bis heute in der Wissenschaft heftig umstritten.

Die politische Ausgangslage: Im zweigeteilten Römischen Reich herrschte Bürgerkrieg und Konstantin mischte mit. Als junger Mann eroberte er im Frühjahr 312 Rom. Sein Widersacher Maxentius hatte den Fehler begangen, nicht in der befestigten Hauptstadt auf ihn zu warten, sondern warf sich ihm in einer Schlacht entgegen. Sein Heer wurde zerschlagen, Maxentius getötet und sein Kopf beim Einmarsch in Rom auf eine Lanze gespießt.

Konstantin will vor der entscheidenden Schlacht Lichtbögen am Himmel gesehen haben, was möglich ist, denn es gibt „Holoerscheinungen“, die durch Brechung des Lichts an Eiskristallen in hohen Cirruswolken entstehen. Und da er kurz zuvor den Christengott um Hilfe gebeten hatte, interpretierte er dies als sein Zeichen. Außerdem war er wohl beeindruckt von den Mitgliedern dieser in seinen Augen seltsamen Sekte, die ein sittenstrenges Familienleben führten, die ihren Priestern gehorchten, die für ihren Glauben an das Jenseits bereit waren zu sterben und deren Rituale so ungewohnt unblutig waren.

Das war etwas Besonderes in jenen Zeiten an der Schwelle zwischen Altertum und Mittelalter und schließlich hatten seine Vorgänger schon oft und vergeblich versucht, die Christen auszulöschen. Und da dachte er sich in einer antiken Version des klassischen „Wenn du sie schon nicht schlagen kannst, verbünde dich mit ihnen“. Aber er musste behutsam sein. Die Christen machten nur rund zehn Prozent der Bevölkerung des Reiches aus, und alle anderen, die Heiden waren, durfte er nicht vergraulen. Es war ein Ritt auf der Rasierklinge, zumal in der christlichen Gemeinde ein Streit entstanden war, ob Jesus Christus Gott gleich oder nur ähnlich gewesen ist. Konstantin hatte kein Interesse daran, dass sich die Christen, die er ja als stabilen Pfeiler seines Staates ausgeguckt hatte, in zwei Lager aufspalteten.

Also lud er die christlichen Bischöfe 325 nach Nikaia, in die Nähe seiner im Bau befindlichen neuen Hauptstadt Byzanz ein. 318 Würdenträger und rund 2000 Mann Gefolge kamen. Man einigte sich auf ein Glaubensbekenntnis und darauf, dass Ostern überall am selben Tag gefeiert werden sollte. Dies war die eigentliche Geburtsstunde einer neuen starken Institution, der christlichen Kirche, die nach und nach die erschöpften Einrichtungen des Altertums ersetzte.

Konstantin selbst ließ sich erst taufen, als er sein Ende nahen fühlte. Das war im Jahre 337. Er hinterließ eine beachtliche Lebensbilanz. Konstantin war trotz aller einer Zeit geschuldeten Brutalität ein meisterhafter Staatsmann, ein genialer Feldherr, ein gerissener Stratege und ein großer Förderer der Baukunst und Kultur. Und da er uns schließlich auch das Weihnachtsfest ermöglichte, trägt er zu Recht den Beinamen „der Große“.