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"Dinner for One" feiert 50-jähriges Jubiläum Der Treppenwitz der Fernsehgeschichte

Die Plätze von Sir Toby, Admiral von Schneider, Mr. Pommeroy und Mr.
Winterbottom bleiben leer - die vor den Bildschirmen nicht: Wenn Butler
James an Miss Sophies 90. volltrunken über den Tigerfell-Kopf stolpert,
wird das "Dinner for One" zum Dinner für Millionen.

31.12.2013, 01:11

Hamburg (dpa) l Das "Dinner for One" hat die Zutaten, die ein TV-Flop braucht: ein Stück mit unbekannten britischen Schauspielern, in Schwarz-Weiß und unübersetzt im deutschen Fernsehen. "Etwas, das viele Zuschauer nicht gleich verstehen können und das so eine alte Anmutung hat" - kein Programmmacher würde sich noch an so etwas heranwagen, sagt der freie Autor und Fernsehjournalist Christian Breidert. "Man kann wirklich sagen, dass das \'Dinner for One\' ein Treppenwitz der Fernsehgeschichte ist, weil es nur durch Zufälle überhaupt so populär und langlebig geworden ist."

Diesmal feiert das "Dinner for One oder Der 90. Geburtstag" - so der Lang-Titel - seinen 50.: 1963 zeichnete der Norddeutsche Rundfunk (NDR) das Bühnenstück um Miss Sophies 90. Geburtstag und ihren Butler James in Hamburg auf. Zwar geschah dies schon Monate vor Silvester und noch nicht mit dem Sendeplatz am letzten Tag eines jeden Jahres im Blick, aber gestolpert und gelallt wird mit James und seiner alten Lady seit langem nur noch an Silvester.

Letzten Endes sei der Kult dem damaligen NDR-Unterhaltungschef Henri Regnier, der das Stück limitiert auf den letzten Tag des Jahres gesetzt habe, zu verdanken, sagt Breidert. "Das ganze Jahr über ist es ins Archiv verbannt und darf nur an Silvester raus - und zwar so konsequent, dass wir alle denken, ein Silvester ohne \'Dinner for One\' ist nicht vorstellbar." Dabei hat der 18-Minüter um Miss Sophie, die an ihrem 90. Ehrentag allein an der langen Tafel sitzt, weil ihre Freunde gestorben sind, nichts mit Silvester zu tun.

1961 war das Komikerpaar Freddie Frinton und May Warden, das schon lange vorher mit seinem ungewöhnlichen Geburtstagsdinner in Großbritannien auf der Bühne stand, erstmals damit im deutschen Fernsehen aufgetreten: in der Sendung "Bitte lassen Sie sich unterhalten" mit Evelyn Künneke. Doch da es davon keine Aufzeichnung gibt, wurde dieser Auftritt schnell vergessen und Peter Frankenfeld später zum "Entdecker": Am 8. März 1963 zeigte er den Sketch in der Show "Guten Abend, Peter Frankenfeld".

Nachdem der Erfolg beim Publikum 1963 überwältigend war, produzierte der NDR die Fernsehfassung, die bis 1972 nur als Pausenfüller diente. 1988 schaffte das "Dinner for One" den Eintrag ins Guinness-Buch der Rekorde als die am häufigsten wiederholte Fernsehsendung. Für Deutsche sei es der Inbegriff des englischen Humors, meint Breidert.

Aber nicht nur hier ist der TV-Klassiker für viele ein Ritual. "Silvester strahlen außerdem Fernsehsender in Schweden, Dänemark, Estland, Australien, Luxemburg, Belgien, Österreich und der Schweiz \'Dinner for One\' aus", heißt es auf der NDR-Internetseite. Stets gehöre der original britische Tonfall dazu. "Sogar in der DDR gab es zu Silvester ein eigenproduziertes \'Erinnerungsmahl\' und 1988 erstmals die NDR-Version mit Frinton."