Premiere am Nordharzer Städtebundtheater "Der Vetter aus Dingsda" mit Witz und hintergründiger Ironie
Von Helmut Rohm
Halberstadt. In einen an den Vollmond erinnernden großen Käse beißt Josse Kuhbrot, um seine Fressgier zu befriedigen. Seine Nichte Julia hingegen himmelt allabendlich den Mond an, um ihre Sehnsucht an den vor sieben Jahren von dannen gezogenen Jugendfreund Roderich zu stillen.
Auf der Halberstädter Bühne des Nordharzer Städtebundtheaters erlebte am Sonnabendabend die Operette "Der Vetter aus Dingsda" mit der Musik von Eduard Künnecke ihre Premiere vor begeisterten Zuschauern im nicht ausverkauften Haus.
Julia (Nina Schubert) steht kurz vor ihrer Mündigkeit. Ein mit Verwicklungen gespicktes Spiel um Geld und/oder Liebe mit ganz handfesten finanziellen Interessen der beiden Vormunde "Josse" Kuhbrot (Klaus-Uwe Rein) mit Ehefrau "Wimpel" (Norbert Zilz) und Landrat von Wildenhagen auf das Erbe spitzt sich zu. Sie wollen Neffen August (Xiaotong Han) bzw. Sohn Egon (Ingo Wasikowski mit großem komödiantischen Spiel) "platzieren". Aber Julia klammert sich träumerisch an Roderich (Ki Soo Yoo), der im fernen Batavia, in "Dingsda" lebt, und wie sich später herausstellt, seine Jugendgespielin längst vergessen hat. Dazwischen Diener Karl (Matthias Junghans): Nichts sagen, nur wundern und tun ...
Der Halberstädter "Vetter aus Dingsda" lehnt sich eng an die originale Vorlage an (Uraufführung 1921). Einen "nostalgischen Schinken" schlechthin hat Regisseur Holger Pototzki aber ganz und gar nicht auf die Städtebundtheater-Bühne gebracht. In fast allen Szenen blinkert Augenzwinkern durch, wird mit Witz und hintergründiger Ironie sowie ideenreichen Überzeichnungen allzu überbordender "Operettenschmalz" in die Realität zurückgeholt. Das Bühnenbild, anfangs mit Spinnweben in den Kuhbrot-Gemächern (Ausstattung Tanja Hofmann), die übergroßen Lebensmittel oder eine "Puppenspiel"-Szene sind nur einige Beispiele.
Gesang und Spiel des gesamten Ensembles in trefflich gelungener charakteristischer und humorvoller Verschiedenheit der Figuren bietet beste Unterhaltung. Xiaotong Han agiert geheimnisvoll, stimmschön und gefühlstark, nicht nur als "ein armer Wandergesell". Träumerisch im Spiel, mit klarem und romantischem Sopran ist Nina Schuberts Julia. Dagegen sehr lebenslustig und ebenso wohlklingend kommt Thea Rein als Julias beste Freundin Hannchen daher.
Zu einer wahren Show läuft das gesamte Ensemble bei "Sieben Jahre ..." auf.
Das Orchester unter Symeon Ioannidis agiert in guter Abstimmung mit der Bühne und bringt die vielfach bekannten Melodien schwungvoll wie einfühlsam zu Gehör. Das passt alles zusammen.
Alles in allem: Hier ist eine durchaus heitere und unterhaltsame Inszenierung gelungen.
Nächste Aufführungen: 21. und 22. September, jeweils 15 Uhr in Halberstadt, sowie 24. und 25. September, jeweils um 15 Uhr in Quedlinburg.