1. Startseite
  2. >
  3. Kultur
  4. >
  5. Dieter Kosslick verspricht Glamour-Berlinale

Filmfestspiele Dieter Kosslick verspricht Glamour-Berlinale

„Es wird eine Glamour-Berlinale“, verspricht Berlinale-Chef Dieter Kosslick im Interview.

30.01.2017, 23:01

Berlin (dpa) l Drei deutsche Filme im Bären-Rennen und internationale Stars auf dem roten Teppich. Bei der 67. Berlinale (9. bis 19. Februar) werden rund 400 Filme gezeigt, darunter viele mit politischer Botschaft.

Welche Probleme brennen den internationalen Filmemachern auf den Nägeln?

Dieter Kosslick: Viele Filmemacher machen sich Gedanken darüber, warum die Welt so aussieht, wie sie aussieht, indem sie in die Geschichte zurückblicken. Da ist zum Beispiel das epische Historiendrama „Viceroy‘s House“ von Gurinder Chadha („Kick it like Beckham“) über die Unabhängigkeit Indiens von Großbritannien vor 70 Jahren und die damit verbundene Teilung des Landes. Oder Raoul Pecks „Der junge Karl Marx“ im Berlinale Special mit August Diehl in der Titelrolle. Im Bären-Wettbewerb haben wir außerdem mehrere lateinamerikanische Filme, die sich mit der Frage der Kolonialisierung beschäftigen.

Gibt es einen roten Faden im Festivalprogramm?

Das Festival hat in diesem Jahr den Schwerpunkt Europa. Es geht um die Geschichte Europas und die Kriege Europas. Im Blick auf das politisch einst in Ost und West geteilte Europa geht es auch um den Verlust der zwei großen Utopien. Man sucht nun nach Menschen, die Mut haben und nach vorne blicken und etwas verändern wollen. Das sind überwiegend Künstler, wie zum Beispiel Joseph Beuys, der im deutschen Wettbewerbsbeitrag „Beuys“ von Andres Veiel porträtiert wird.

Im Eröffnungsfilm „Django“ geht es um den französischen Jazzmusiker Django Reinhardt und seine Flucht aus dem von Deutschland besetzten Paris im Jahr 1943.

Ja, all diese Porträts erzählen auch etwas über die Zeit, in der die Künstler lebten. Zu Django Reinhardts Zeit wurden Sinti von den Nazis verfolgt und schikaniert und im Konzentrationslager umgebracht. Und da sind wir dann wieder ganz in der Gegenwart, in der Sinti und Roma, aber auch Homosexuelle und andere Minderheiten in vielen Ländern immer noch verfolgt werden.

Wird es also dieses Mal eine eher nachdenkliche Berlinale und keine Glamour-Berlinale?

Es wird wieder eine Glamour-Berlinale. Weil wir sehr viele Stars auf dem roten Teppich haben werden. Und es gibt auch wieder viel zu lachen. Zum Beispiel bei der Gesellschaftssatire „Wilde Maus“ vom österreichischen Kabarettisten Joseph Hader. Oder bei Sally Potters Komödie „The Party“, in der Patricia Clarkson, Bruno Ganz, Cillian Murphy, Kristin Scott Thomas und Timothy Spall mitspielen.

Aber im Programm finden sich auch sehr viele Filme mit sehr ernsten Themen ...

Der Punkt ist: Je lauter das Geschrei aus dem Oval Office in Washington ist, desto nachdenklicher sollten wir werden mit dem Echo auf das, was jetzt passiert. Das Geschrei verdeckt nur, dass in Wahrheit eine unglaublich restaurative Politik installiert wird – gegen Umweltschutz, gegen ethnische Minderheiten. Die Filme zeigen, in welcher Realität wir leben – sie zeigen aber auch, dass es Auswege gibt aus dieser Misere und dass man nicht alles hinnehmen muss, was passiert.

Deutschland ist gleich dreimal im Bären-Rennen vertreten, so oft wie kein anderes Land. Was macht die Qualität der deutschen Filmemacher derzeit aus?

Die drei deutschen Wettbewerbsfilme sind sehr unterschiedlich. „Beuys“ von Andres Veiel ist ein Dokumentarfilm über einen der größten deutschen Künstler. Thomas Arslan, Vertreter der Berliner Schule, hat mit „Helle Nächte“ einen Beziehungsfilm über einen Vater und seinen Sohn gedreht. Und Volker Schlöndorffs „Rückkehr nach Montauk“ widmet sich Max Frischs Roman „Montauk“, ein klassischer Schlöndorff, mit bekannten Schauspielern wie Nina Hoss und Stellan Skarsgard besetzt. Im Berlinale Special läuft außerdem Matti Geschonnecks Bestseller-Verfilmung „In Zeiten des abnehmenden Lichts“. Da kann ich nur sagen: Glückwunsch! Volltreffer! Alle, die schon immer mal wissen wollten, wie es in der DDR war, sollten sich diesen Film ansehen. In der Special-Reihe ist auch die Romanverfilmung „Es war einmal in Deutschland...“ von Sam Garbarski zu sehen, mit einem großartigen Moritz Bleibtreu – auch ein Film über die deutsche Geschichte; jüdisches Leben im Nachkriegs-Frankfurt nach den Büchern von Michel Bergmann. Großartige Entdeckungen gibt es zudem in der Reihe Perspektive Deutsches Kino.