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documenta mit engagierten Kunstwerken

08.06.2012, 03:16

Kassel (dpa) l Die Mörder haben kein Gesicht, die Opfer bleiben ungesehen, aber ihre Handys legen Zeugnis ab. Während Menschen in Syrien erschossen werden, läuft ihre Kamera weiter und dokumentiert die Niederschlagung der Aufstände in Homs, Hama oder Duma. Rabih Mroué aus Beirut hat diese Videoschnipsel aus dem Internet gefischt und daraus einen der beeindruckendsten Räume der documenta (13) gestaltet. Aus den Standbildern hat er Daumenkinos gemacht. Die bis zur Unkenntlichkeit vergrößerten Gesichter der Mörder, die die Waffe auf den Betrachter richten, hängen wie Fahndungsplakate an der Wand.

Viele Künstler, deren Arbeiten die nächsten 100 Tage zu sehen sind, sind politisch engagiert, ohne dabei plakativ zu sein. Die Hinrichtungsstätte, die der Amerikaner Sam Durant in der Karlsaue aufgestellt hat, ist auf den ersten Blick leicht mit einer Aussichtsplattform zu verwechseln. In Wahrheit besteht sie aber aus maßstabsgetreuen Nachbauten prominenter Galgen wie dem von Saddam Hussein. Amy Balkin, ebenfalls aus den USA, dokumentiert mit 186 Briefen an Politiker an der Wand des Fridericianums ihre - erfolglosen - Versuche, die Erdatmosphäre zum Weltkulturerbe erklären zu lassen. Auch Deutschland schrieb eine höfliche Absage.

Viele Arbeiten sind erstmals zu sehen

Der Franzose Kader Attia stellt notdürftig reparierte Gebrauchsgegenstände aus Afrika und Holzplastiken ebenso stümperhaft geflickter Soldatengesichter aus dem Ersten Weltkrieg nebeneinander. Der Kambodschaner Vann Nath überlebte die Foltergefängnisse der Roten Khmer, weil er malen konnte - während seiner Haft musste er immer wieder Porträts nach Fotos von Pol Pot malen. Nach dem Ende des Schreckensregimes dokumentierte er bis zu seinem Tod 2011, was Menschen Menschen an Grausamkeiten antun können.

Eine politisch engagierte documenta hatte die künstlerische Leiterin Carolyn Christov-Bakargiev ja angekündigt und - ganz die Tochter einer Archäologin - dafür vieles ausgegraben, was nun erstmals zu sehen ist. Die 1970 gestorbene norwegische Kommunistin Hannah Ryggen etwa, die den heraufziehenden Zweiten Weltkrieg in Webteppichen vorwegnahm; ihr "Hitlerteppet" zeigt schon 1938 abgeschlagene Köpfe und Kreuze. In der Neuen Galerie hängen Zanele Muholis Fotos von Homosexuellen und Transsexuellen aus Südafrika. - Im Ottoneum stellen jene Künstler aus, die Ernährungskrisen und Umweltzerstörung für den Kriegsschauplatz der Zukunft halten.