Theater der Altmark inszeniert "Gut gegen Nordwind" im Stendaler Gerberhof Ein Briefroman auf der Bühne: Immer unterhaltsames Theater
Zum Spielzeitende geht das Theater der Altmark seit Jahren in die Freiluftkneipe. Im Stendaler Gerberhof hatte am Sonnabend "Gut gegen Nordwind" Premiere. Bei schönstem Sommerwetter geizte das Publikum nicht mit Beifall für einen insgesamt kurzweiligen Abend.
Von Birgit Tyllack
Stendal. Eine Laufsteg-Bühne teilt den romantischen Hof der alten Gerberei, an beiden Enden ein winziges, angedeutetes Zimmer. Regisseur Hannes Hametner und Bühnenbildner Christopher Melching lassen Alexa Wilzek alias Emmi und Jan Kittmann alias Leo zum Greifen nah inmitten der Zuschauer agieren. Diese Nähe ist fürs Publikum ungewohnt und für die Schauspieler bestimmt nicht einfach. Heraus kommt jedoch eine Unmittelbarkeit, der man sich schwer entziehen kann.
Und wer hätte das bei diesem Stoff gedacht? Immerhin werden in "Gut gegen Nordwind" lediglich E-Mails verschickt. Und doch funktioniert es! Der mittlerweile fünf Jahre alte Briefroman von Daniel Glattauer ist als Bühnenfassung äußerst sehenswert.
Emmi Rothner hat beim Tippen Schwierigkeiten mit gewissen Buchstaben: Manchmal ist einer der Finger einfach schneller als er sollte. Deshalb landen einige E-Mails versehentlich bei Leo. Der wiederum macht Emmi auf ihren Fehler aufmerksam, sie bedankt sich, er antwortet ... und schon ist eine kleine Beziehung entstanden. Eine Beziehung, wie sie im Zeitalter des Internets häufig anzutreffen ist: anonym, oberflächlich und unverbindlich. Doch bei Emmi und Leo bleibt es nicht dabei. Ihre Mails werden immer persönlicher und verbindlicher. Sie lernen sich kennen, ohne sich je zu sehen. Bald schon sind diese Mails fester und geliebter Bestandteil ihrer beider Leben. Sehnsüchte entstehen, vielleicht sogar so etwas wie Liebe. Aber ist das möglich? Kann man sich in jemanden verlieben, den man nur via Computer kennt?
Da beide in der gleichen Stadt wohnen, wäre ein Treffen zwischen Emmi und Leo durchaus machbar. Doch zu groß ist die Angst vor einer möglichen Enttäuschung. Was, wenn die wirkliche Person der "virtuellen" nicht gerecht wird?
Hannes Hametner lässt Alexa Wilzek und Jan Kittmann in seiner Inszenierung nicht wirklich miteinander agieren. Nie haben sie Augenkontakt. Beide Schauspieler bleiben auf ihren Seiten der Bühne und formulieren, lesen und spielen die elektronischen Briefe.
Alexa Wilzek ist eine wunderbare Emmi: ironisch, witzig, erotisch, aber auch verletzlich und ängstlich. Ihr Schauspiel ist facettenreich und nuanciert.
Jan Kittmann könnte seinen Leo hingegen etwas facettenreicher gestalten. Der Wandel vom nervös-hektischen Leo, der gerade eine große Enttäuschung hinter sich hat, zum Leo, der wieder Hoffnung und Sehnsucht empfindet, kommt zu kurz. Kittmann ist wie erstarrt in der Gefühlswelt des "frühen" Leos und scheint nicht so recht ins Spiel zu finden. Viel zu selten lockert sich seine Mimik und lässt ahnen, dass hier weitaus mehr möglich wäre.
"Gut gegen Nordwind" ist eine Komödie, die viel Stoff zum Nachdenken liefert. Niemals seicht, aber immer unterhaltsam. Nicht nur in der Freiluftkneipe ein Garant für einen schönen Abend.