Magdeburger Schauspiel bringt preisgekrönten dänischen Film "Adams Äpfel" auf die Bühne Ein Bubenstück des schwarzen Humors
Mit "Adams Äpfel" erlebte das Publikum eine Boulevard-Komödie, eine Groteske, ein Bubenstück schwarzen Humors, ein intellektuelles Lehrstück und einen nachdenkenswerten verrückten Abend. Es bedachte die Inszenierung von Alexander Marusch mit Beifallsstürmen und Fußtrampeln.
Magdeburg l 2006 kam der erfolgreiche, vielfach preisgekrönte Film "Adams Äpfel" des Dänen Anders Thomas Jensen in die deutschen Kinos - 2012 schuf K. D. Schmidt eine deutsche Bühnenfassung, die am Freitag vor Pfingsten im Studio des Magdeburger Schauspiels Premiere hatte.
Marusch und sein Ausstatter Gregor Sturm setzen auf sparsame, klare Lösungen: für die Bühne schwarze Aushängung, drei fahrbare halbhohe Schrankteile, die alles enthalten, was zum Spiel gebraucht wird. Kostüme und Maske punktgenau auf die Charakterisierung der Figuren ausgerichtet.
Der Abend kommt scheinbar leicht daher. Er präsentiert sich als grandiose Unterhaltung: Brillante, witzige Dialoge, komische Situationen, überraschende Wendungen und ein Ensemble, das all dies zu handhaben weiß. Unter der Hand aber beleuchtet er ein aktuelles Problem: Wie bewältigen wir in einer hochkultivierten Gesellschaft den gefährlichen Mix aus ideologischen, rassistischen und menschlichen Verirrungen, aus Vorurteilen und Aggressionen? Kühn präsentiert der Autor als Lösung am Ende nicht weniger als ein Wunder.
Im Mittelpunkt des Geschehens stehen Adam, der Neonazi und Ivan, der Pfarrer, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, einer absurden Crew gescheiterter Existenzen von Trinkern, Räubern und Gewaltverbrechern eine Chance zu geben. Zwischen Ivan und Adam entwickelt sich ein Machtkampf der besonderen Art um die Frage, ob dem Bösen mit Gutem zu begegnen sei. Das führt in Katastrophen und mündet in ein Happy End, vor dem die Ärztin Kolberg (Isolde Kühn) kopfschüttelnd davonrennt.
In Ivan bündelt sich der ganze Kosmos grenzenloser Ratlosigkeit gegenüber einem gegenwärtigen Weltzustand. Ralph Martin spielt ihn mit genau beobachteten sprachlichen und gestischen Differenzierungen. Glaubhaft zeigt er Stärke und Versagen, Glück und Elend dieses Pfarrers und balanciert die Figur auf einem schmalen Grat zwischen Hochachtung und Spott.
Ivans Widerpart Adam verkörpert Peter Weiss. Mit hoher darstellerischer Disziplin führt er den vorbestraften Rechtsradikalen und Hitler-Verehrer in Sprache und Körperhaltung leicht in die Parodie, ohne dabei den realistischen Impetus zu verletzen.
Der kühlen Genauigkeit dieses Adam glaubt man die überraschende Schlusswendung, dass gerade er es ist, der für Hoffnung steht. Er widersetzt sich sogar seinem früheren Kameraden Holger (David Nádvornik), der in militanter Montur mehrfach von außen in die Wohngemeinschaft einbricht.
Während Adam den Kosmos des Gutmenschen Ivan durch massive Provokation gezielt aufmischt, haben sich die anderen eingerichtet: der Säufer Gunnar (David Emig), der arabische Tankstellenräuber Khalid (Konstantin Marsch), die Trinkerin Sarah (Iris Albrecht). Dann gibt es noch zwei körperlich und geistig Aktionsunfähige: den schwerstbehinderten Sohn des Pfarrers (David Nádvornik) und Poul (Sebastian Reck), der im Rollstuhl sitzt und erst als Leiche zum Handlungsträger wird, nämlich zum Objekt einer prachtvollen Slapstick-Nummer in einer grotesken Situation, die ein Kulminationspunkt des schwarzen Humors dieser Inszenierung ist: Ivan und Adam bugsieren den toten Poul aus seinem Rollstuhl in einen viel zu kurzen Sarg.
Ob die Zuschauenden das noch lustig oder beklemmend finden, liegt einzig in deren Betrachtungsweise. Solche Momente gibt es in der Inszenierung häufig, denn Alexander Marusch und sein Ensemble nutzen alle komödiantischen Möglichkeiten, die Text, Szene und Rollen bieten. Sie gleiten jedoch niemals in den puren Ulk ab, bleiben immer dicht dran an der Geschichte, an deren Fragen und deren Provokation. Das Publikum kann sich der Provokation stellen oder auch nicht. Lachen befreit, aber Lachen allein genügt in dieser Aufführung nicht. Es muss durch Nachdenken in der Wirklichkeit verortet werden.