1. Startseite
  2. >
  3. Kultur
  4. >
  5. Ein fantasievolles kleines Welttheater in Wernigerode

Magdeburger Bühnenbildner Toto stellt in der Galerie im Ersten Stock aus Ein fantasievolles kleines Welttheater in Wernigerode

30.07.2011, 04:27

"TOTO – bühne und kostüm". Unter diesem Titel beschert der Magdeburger Bühnenbildner Toto der Galerie im Ersten Stock des Wernigeröder Kunst- und Kulturvereins eine zauberhafte Ausstellung.

Von Hans Walter

Wernigerode. Schon das Procedere war anders als gewohnt – es gab kein Kunstgespräch. Die rund 80 Teilnehmer der Eröffnung fanden sich am Donnerstag bei der Ausstellungseröffnung ausnahmsweise in der Remise zu Totos einführendem Vortrag zusammen. Christian Erben, Cellist am Leipziger Gewandhaus, ein Freund des international renommierten Bühnenbildners, spielte Bach. Erst dann ging es hinauf in die Galerie.

Hier offenbarte sich Totos "kleines Welttheater" in einer wahren Fülle von Figurinen, Kostümen, Bühnenbildmodellen, technischen Zeichnungen, Plakaten, Ausstattungsdetails, Videos und zu einzelnen Arbeiten entstandener Druckgrafik.

Unglaublich schön, vielfältig, detailverliebt und spielerisch zeigt der 49-jährige Toto umfassend die Spannbreite seiner Kunst. Ein Rausch für die Sinne!

Er arbeitet für Bühnen nicht nur in Deutschland, sondern auch in Frankreich, Österreich und der Schweiz. Zu sehen ist ein kleiner Ausschnitt seiner Szenografie der letzten 20 Jahre, wobei den aktuellen Produktionen für die Oper in Kiel, für das Theater am Gärtnerplatz in München und für die Volksoper in Wien besondere Aufmerksamkeit zuteil wird.

Die Galerie-Räume sind wundervoll inszeniert. Selbst auf Wandverkleidungen und in den Fenstern finden sich Details von Totos fantasiereichem Schaffen. Gleich eingangs wird man begrüßt von Theaterplakaten und 30 Stühlchen – fünf Zentimeter hohe, genau gleiche Möblierung für ein Bühnenbildmodell (Modell-Restaurierung: Axel Schumann).

Deutlich wird, wie komplex die Anforderungen an das Berufsbild sind. Der Bühnenbildner muss nicht nur ein guter Modellbauer, Maler und Grafiker sein, sondern auch mit Stoffen und Schnitten, mit Putzmacherei, Gürtlerei, mit der Arbeit des Theaterplastikers, der Maskenbildnerei und all den anderen Gewerken des Theaters vertraut sein.

Er spielt mit Licht und Schatten – er ist auch für die Beleuchtung der Szene zuständig. Alles im Dienst des Stückes. Toto erweist sich in allen Disziplinen als stilsicherer Meister.

Die Räume sind thematisch geordnet. Es gibt ein "Kinderzimmer", einen Operettensalon, einen Saal der großen Oper. In der Kinderabteilung verzaubern die Figurinen für "Ronja Räubertochter", entstanden für das Nationaltheater Weimar, und ein Königskostüm die Besucher. Ein filigran-durchsichtiger Mantel, mit kostbaren Perlen-Knöpfen und farbigen Vogelfedern besteckt. Erst ganz aus der Nähe offenbart sich, mit welcher Akribie Toto selbst die kleinsten Einzelheiten der Werkstätten beaufsichtigt.

Seine Kostüme und Ausstattungen zeigen immer außerordentlichen ästhetischen Reiz und hohen Wert – wenn sie auch meist, wenn ein Stück nach 30 Vorstellungen abgespielt ist, günstigenfalls verkauft werden. Meist kommen sie in den Shredder.

Ein Künstler und Dienstleister

Das muss ihn schmerzen. "Aber man kann im Leben nichts festhalten. Nichts ist für ewig", ist seine Erkenntnis. Nicht resignativ, sondern sachlich, nüchtern, realistisch. Er ist ein Künstler von hohen Graden – und zugleich ein Dienstleister. Es gibt kaum noch eine Festanstellung am Theater, statt dessen eine freischaffende, unstete Existenz aus dem Koffer. Heute in Rostock, morgen in Salzburg. Das ist ein aufreibendes, einsames Leben. Bloß nicht krank werden, bloß keine Katastrophen in der Familie – die Kehrseite des geliebten, wundervollen Berufs ...

Einige Arbeiten zeigen die heimatliche Erdung Totos – so die (nicht realisierten) Entwürfe für Magdeburger Originale wie "Blutappelsine" und "Luse-Benecke" als überlebensgroße Hampelmann-Figuren oder wie die Nachbildung des Keilers von der Wernigeröder Schlosstreppe für das Theater Altenburg-Gera. In anderen Installationen – wie den schwebenden Herzen ähnlich der Adventsdekoration des Wiener Weihnachtsmarktes – sind kleine Botschaften an den Freundeskreis versteckt.

Eine Produktion bereitete Toto besonders nachhaltige Freude – die Händel-Oper "Rinaldo" 2010 in Kiel. Ein barocker Traum, eine exzellente Teamarbeit von Regie, Ausstatter, musikalischer Leitung, Lichtdesignerin und der Solisten – allein drei Countertenöre – im theatralen Kampf von Christentum und Islamismus. Sie regte Toto zu fantasievoller Interpretation auf der Bühne und zur grafischen Ausdeutung des Werkes an. Ein "Rinaldo"-Video ist klingender und optischer Beweis.

Zu entdecken bis 28. August in der Galerie im Ersten Stock im Wernigeröder Kunsthof, Marktstraße 1. Geöffnet: dienstags bis freitags von 11 bis 12 und von 14 bis 17 Uhr, sonnabends von 11 bis 17 Uhr, sonntags von 14 bis 17 Uhr.