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Theater Ein leiser Star

Schauspieler und Regisseur Dieter Mann gestorben

04.02.2022, 20:03
Dieter Mann 1988 vor dem Deutschen Theater in Berlin, an  dem er von 1984 bis 1991 auch Intendant war.
Dieter Mann 1988 vor dem Deutschen Theater in Berlin, an dem er von 1984 bis 1991 auch Intendant war. Foto: Imago/Werner Schulze

Uwe Kreißig - Wenn große Schauspieler Intendant werden, geht es nicht selten schief. Manchmal wird es aber grandios. Letzteres gelang dem Ost-Berliner Schauspieler Dieter Mann, als er 1984 auch noch diese Rolle annahm.

Nach einer Ausbildung zum Dreher und dem Abitur an der Arbeiter- und Bauern-Fakultät studierte Mann Schauspiel. Bereits 1964 wurde er von Friedo Solter an das Deutsche Theater verpflichtet und begann eine große Karriere.

Mann war einer der Starschauspieler der DDR, und einer, der alles konnte: Bühne, Fernsehen, Film, Hörspiel, Lesung. In den 80ern war Dieter Mann so präsent im Defa-Film, im DDR-Fernsehen und Theater, dass es aus heutiger Sicht fast unwirklich erscheint. Auf der Bühne hat er die großen Rollen interpretiert und geprägt. Filme unter seiner Mitwirkung wie „Lotte in Weimar“, „Die Leiden des jungen Werthers“, „Das Versteck“, „Glück im Hinterhaus“ oder „Levins Mühle“ werden bleiben.

Mann war keine 35, als er nach Meinung der Kritik auf der Bühne kaum noch zu übertreffen war. Sein Auftritt als (gebildeter) Staatssekretär Antonio Montecatino in Goethes „Torquato Tasso“ am Deutschen Theater aus dem Jahr 1975 wirkt selbst in der Hörfassung auf Orwo-Kassette zeitlos.

Im Stück geht es um das Spannungsverhältnis zwischen Kunst und Macht – auch heute wieder ein schwieriges Thema. Die Auffassung „Erlaubt ist, was gefällt!“ steht gegen „Erlaubt ist, was sich ziemt!“. Ein Konflikt, an dem sich Mann noch öfter abarbeiten sollte.

Von 1984 bis 1991 wirkte Mann als Intendant am Deutschen Theater. Entsprechend der Tradition des Hauses hatte das Ensemble bei der Besetzung der führenden Positionen ein Mitspracherecht und setzte – auch im eigenen Interesse – Mann 1984 als Leiter durch. Selbst SED-Mitglied, ging er keinem Konflikt mit der Partei aus dem Weg und wehrte sich gegen Zensur und „Cancel Culture“. In dieser Zeit holte er auch den jungen Rebellen Frank Castorf und den umstrittenen Superstar Heiner Müller als Regisseure an das Haus.

Nach der Wende wandte er sich von Intendanz und Politik ab. Aufträge als Schauspieler für Bühne, Film und Fernsehen kamen reichlich. Und wo Dieter Mann mitspielte, wirkte jede Produktion angehoben. Er selbst war ein bescheidener, normaler, leiser Star.

2016 hatte Mann öffentlich gemacht, dass er an Parkinson leide und fortan kürzertreten wolle. Vom Schauspiel der Gegenwart hatte er sich ohnehin abgewandt, und es fiel ihm nicht allzu schwer: „Ich hab’ genug von dem Blut auf dem Theater, von Onanierenden, Pissenden, ich muss es so sagen. Ich mag das einfach nicht mehr sehen ... Dafür bin ich nicht gemacht und daran möchte ich mich auch nicht beteiligen“ sagte er 2013, leicht resigniert, in einem Interview.

Gestern starb Dieter Mann in seiner Geburtsstadt Berlin im Alter von 80 Jahren.