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"Eine abenteuerliche Entdeckungsreise" Jakob Peters-Messer inszeniert zu den Telemann-Festtagen die Oper "Miriways"

03.03.2012, 04:25

"Miriways" ist die letzte erhaltene Oper von Telemann, die in heutiger Zeit noch nicht inszeniert wurde. Konzertant wurde sie aufgeführt, aber nie szenisch. Jetzt ist "Miriways" als Oper zu erleben. Jakob Peters-Messer führt Regie. Grit Warnat hat mit ihm gesprochen.

Volksstimme: Die Magdeburger Telemann-Festtage und das Theater Magdeburg stemmen zum zweiten Mal ein großes Opernprojekt zu den Festtagen. Vor zwei Jahren wurde "Orpheus" gezeigt, jetzt die Oper "Miriways". Sie führten bei "Orpheus" Regie und nun wieder. Wie kam es dazu?

Jakob Peters-Messer: Die Arbeit am "Orpheus" hatte viel Spaß gemacht. Wir hatten dann gemeinsam überlegt, was man von Telemann noch aufführen könnte. Da kam schnell der "Miriways". Ich hatte große Lust auf diese Oper.

Volksstimme: Vor zwei Jahren war das Ensemble Opera Fuoco aus Paris in die Produktion eingebunden, diesmal ist es mit dem L\'Orfeo Barockorchester ein österreichisches Ensemble. Ähnelt sich die Zusammenarbeit?

Peters-Messer: Beide kommen aus dem Alte-Musik-Breich. Opera Fuoco war vielleicht mehr eine Operntruppe, junge Sänger, die viel Oper machen. Die Österreicher kommen stärker aus dem Konzertbereich, ich muss mit ihnen anders arbeiten als zum Beispiel mit den Opernsängern hier am Haus.

"Wir mussten die Charaktere der Personen für uns greifbar machen"

Volksstimme: Mit Ulrike Hofbauer, die die Rolle des Sophi singt, haben Sie eine Spezialistin in der historischen Gesangstechnik.

Peters-Messer: Ja, sie ist eine Bereicherung, weil sie sich auch wissenschaftlich für diese Gesangstechnik interessiert. Sie bringt Wendungen ein, kleine Verzierungen, die den Text verstärken und ausgestalten. Der schöpferische Ansatz des Interpreten früher war ja auch viel größer als heute. Die Komponisten haben große Freiheiten gelassen und mit den Sängern gemeinsam das eigentliche Werk erarbeitet.

Volksstimme: Ist "Miriways" für alle Beteiligten eine Entdeckungstour?

Peters-Messer: Oh ja, sehr sogar. Telemann hat ein Gerüst hinterlassen, dramaturgisch ist vieles nicht eindeutig. Die Logik muss man für sich erst einmal entdecken. Ich habe mich zum Beispiel ans Klavier gesetzt und sehr viel ausprobiert.

Volksstimme: Was entdecken Sie neu?

Peters-Messer: Ich hatte viel zu tun, um in die Geschichte an sich einzudringen. Jetzt ist sie mit den beiden Handlungssträngen für mich natürlich klar. Ich habe mich im Vorfeld intensiv mit dieser Oper beschäftigt, weil ja mit der Dirigentin Michi Gaigg eine Fassung für das Haus vorgelegt werden musste. Wir mussten reduzieren, konzentrieren, auch die Charaktere der Personen für uns greifbar machen. Das war schon eine abenteuerliche Entdeckungsreise.

Volksstimme: Ist "Miriways" wie der "Orpheus" eine mehrsprachige Oper?

Peters-Messer: Nein, Miriways ist wie eine klassische italienische Arien-Oper, allerdings komplett in deutscher Sprache. Es gibt nur ein Duett, ansonsten nur Arien. Meine Aufgabe ist es, nicht einzelne Solo-Nummern aneinanderzureihen, sondern aus diesen Arien immer Zweier-, Dreier-, Viererszenen zu gestalten.

Volksstimme: "Miriways" wurde am 26. Mai 1728 an der Hamburger Gänsemarktoper uraufgeführt. Wie viel wissen sie von damals?

Peters-Messer: Es gibt Quellen, die ziemlich genau aussagen, wie die Aufführungen damals abliefen. Aber man weiß heute nicht ganz genau, wie die Leute gespielt haben. Dokumentationen von den Dekorationen gibt es, auch davon, wie die Leute standen, aber wie sie gespielt haben, wie sie sich bewegten, auch wie sie sich mimisch gaben, das weiß man nicht so genau. Es gibt immer wieder leichte, komische Szenen bei Telemann, ein besoffener Diener kommt zum Beispiel vor. Das wird sicher Schauspiel gewesen sein. Und die langen Rezitative, die wie Schauspieldialoge geschrieben sind, legen es nahe, dass mehr Theater gemacht wurde als an den italienischen Hoftheatern der Zeit.

Volksstimme: Miriways war ein afghanischer Stammesfürst. Es geht in der Handlung um Stammeskämpfe, um Macht. Wie aktuell sehen Sie den Stoff?

Peters-Messer: Wir könnten natürlich Taliban auf die Bühne bringen, aber das würde dem Stück nicht gerecht werden. Interessant finde ich vielmehr, dass Telemann und sein Autor einen Mann auf die Bühne gebracht haben, der gerade erst gestorben war. Miriways war ein Zeitgenosse. Und solche Meldungen standen in den Zeitungen, die Leute haben sich für diese exotischen Nachrichten wie auch für Reiseberichte aus diesen fernen Ländern interessiert. Telemann übrigens hat in seiner Oper Zitate aus diesen Reisebeschreibungen zur Beschreibung seiner Szenen genutzt. Für mich ist Miriways eine Aufklärungsgeschichte, in der sich ein Eroberer, ein Militär, ein Feldherr zu einem aufgeklärten Herrscher wandelt.

"Den inneren Kern zu finden, das, was uns berührt, ist die Aufgabe"

Volksstimme: Inwieweit haben Sie und Ihr Bühnenbildner Markus Meyer das Orientalische, das Exotische aufgenommen?

Peters-Messer: Wir nehmen die Barockzeit auf, weil auch der deutsche Text so wunderschön barock und gedrechselt ist. Eine Barockbühne ist eine Gassenbühne, und die zeigen wir als persischen Teppich, als begehbaren Teppich sozusagen. Verschiedene Ebenen erstellen eine Bühne, die man verwandeln kann. Das Ganze ist sehr farbenfroh.

Volksstimme: Sie haben zahlreiche Barockopern inszeniert, unter anderen von Monteverdi, Cavalli, Mazzocchi, Telemann, Händel, Keiser, Vivaldi. Wie wichtig ist es Ihnen, ein Stück von Telemann zu inszenieren?

Peters-Messer: Telemann ist etwas kniffliger als beispielsweise Händel, weil Händel in den Emotionen extremer ist. Man ist bei Händel schnell auf der Spur und weiß, wohin es geht. Diesen emotionalen Tiefgang hat Telemann nicht sofort, den muss man erst erarbeiten. Aber Telemann hat immer eine gewisse Eleganz, eine Schönheit. Den inneren Kern zu finden, das, was uns berührt, die Emotion, ist die Aufgabe. Das macht auch den großen Reiz aus. Barockmusik ist nie gleich. Jeder Komponist hat eine andere, eigene Welt.

Volksstimme: Wenn Sie den Namen Telemann hören, denken Sie

automatisch an Magdeburg?

Peters-Messer: Ich ja! Ich weiß, dass Magdeburg nicht nur Geburtsstadt von Telemann ist, sondern es auch dieses wunderbare Telemann-Zentrum gibt, ohne das solche Inszenierungen, die übrigens auf einem sehr hohen Niveau geboten werden, gar nicht möglich wären. Vielschreiber und Blockflötenkomponist, das sind Vorurteile gegenüber Telemann, die aber inzwischen immer mehr korrigiert werden. Er wird heute viel mehr geschätzt als noch vor Jahren. Darüber freue ich mich!

Premiere: 10. März, 19.30 Uhr, weitere Vorstellungen: 11., 16. und 17. März im Opernhaus Magdeburg