Karl Thiele inszeniert nach Karl-May-Humoresken Sommer-Open-Air des Anhaltischen Theaters Eine kurzweilige Reise in die Historie
Die lebensgroße Skulptur von Leopold I., Fürst von Anhalt-Dessau, genannt der "Alte Dessauer", wird bei einem Unwetter während einer Führung lebendig - 265 Jahre nach seinem Tod. So beginnt das Lustspiel "Der Alte Dessauer".
Dessau-Roßlau l Nach den Humoresken von Karl May hat Karl Thiele dazu eine Schauspielfassung geschaffen und das Stück für das Sommer-Open-Air des Anhaltischen Theaters Dessau inszeniert. In der Hauptrolle: Karl Thiele.
Dem Alten Dessauer ist das für ihn Neue alles unverständlich, auch das Bauhausgebäude, auf dessen Wiese das Stück gespielt wird. "Was habt ihr bloß mit meinem Dessau gemacht?", ist er empört. Er, der doch so auf Zucht und Ordnung setzt, auf das zackig Militärische - auf Macht und stete Rechthaberei.
Sehr unterhaltsam werden die Zuschauer auf eine etwa zweieinhalbstündige Reise in die Historie mitgenommen. Für die einzelnen Anekdoten und Geschichtchen um und über den Fürsten hat Karl Thiele einen abwechslungsreichen, kurzweiligen und vor allem aktionsreichen, teils auch verzwickten Handlungsfaden geknüpft. Zwei zunächst scheinbar unlösbare Liebesgeschichten in Romeo-und-Julia-Dramatik wird der Fürst zu lösen haben. Ebenso, hier nahe an der Historie, geht es um die gesetzlose grenzüberschreitende Rekrutenanwerbung.
Und wie in einer lebensprallen Komödie sind sehr reizvolle Verwechslungen, bestens gelungene Verkleidungen und "großes Theater" recht einfallsreich am laufenden Band zu erleben. Für den marschmusikliebenden Fürsten, der den Gleichschritt erfunden hat, marschiert eine Live-Blaskapelle auf, wird stramm exerziert, kommt ein Reiter auf einem schönen schwarzen Friesen geritten und wird Salut geschosssen ...
Um sich selbst vor Ort über die Zustände und auch die "Weibestauglichkeit" zu informieren, geht der Fürst inkognito als Bäckergeselle auf die Reise. Die Zuschauer erleben so dabei eine sicher gewollt überspannte Brotbackszene, einen Kartenspiel- und Saufexzess bis zum Umfallen, auch mehrere Kampfszenen mit einer vom Fürsten beherrschten Prügelszene in einer Kneipe. Im "Wirtshaus zum Alten Dessauer" präsentiert die Wirtin Mutter Röse Volkstanz und Turnakrobatik.
Die Inszenierung lebt insbesondere von den überspannt gezeichneten Charakteren. Den Mitgliedern des Dessauer Schauspielensembles ist durchweg und ohne Abstriche ein Stück unterhaltsamer und personenreicher Regionalgeschichte gelungen, das von allen mit voller Hingabe gespielt und bis ins kleinste Detail ausgereizt wird. Für Opulenz und Vielschichtigkeit sorgten auch Mitwirkende des Tanzforums Dessau, "Die Huskies" des PSV 90 Dessau, Musiker aus Anhalt und des Theaterclubs.
Die einfallsreiche Ausstattung von Roland Wehner mit den eingeschränkten technischen Möglichkeiten ist ein stimmiger Rahmen für den großen Erfolg des Schauspiels, das eine besondere Facette im Jubiläumsjahr Anhalt 800 darstellt.
Kurz vor Schluss wird die gerade intensivierte Rekrutenwerbung abrupt beendet. Karl Theodor zu Guttenberg habe die Wehrpflicht ausgesetzt. Zurück in der Gegenwart.
Der Fürst ist enttäuscht - und geht. Das Publikum applaudiert fleißig.