Zweifache Echo-Preisträgerin Ragna Schirmer hat sich erneut an ein großes Projekt gewagt Eine Pianistin auf Händel-Mission
Halle. Ragna Schirmer, Pianistin und zweifache Echo-Klassik-Preisträgerin, hat erneut Musik von Händel sehr individuell interpretiert. Bei einem Treffen erzählt die Hallenserin über ihr neuestes Händel-Projekt, den Echo und die Vorfreude auf eine Uraufführung.
Ragna Schirmer ist guter Dinge. Das sieht man ihr an, das spürt man. Sie strahlt. Sie hat ein Projekt fertig, in das sie vier Jahre Arbeit, auch eine gehörige Portion Mut gesteckt hat. Jetzt liegen drei CDs vor, stehen zwei wichtige Konzerte an - am 29. September in Neubrandenburg und am 3. Oktober in Halle. Zu denen wird Ragna Schirmer ihrem Publikum ihre neueste musikalische Sicht auf Händel vorstellen. Sie wagte sich als Pianistin an Georg Friedrich Händels Orgelkonzerte.
Einige warnten sie, sagten, dieses Vorhaben sei unmöglich umzusetzen
Ragna Schirmer, 1972 in Hildesheim geboren, seit 17 Jahren Hallenserin, probierte in ungezählten Stunden die Musik des großen, in Halle geborenen und verehrten Barockkomponisten auf ihrem Instrument aus. Sie mag dessen emotionale Tonsprache.
Andere warnten sie, sagten, dieses Vorhaben, voluminöse Orgelmusik am doch eher filigranen Klavier umzusetzen, sei unmöglich. Aber Händel selbst sei es gewesen, der die Pianistin ermutigt habe. Schließlich habe Händel diese Musik nicht nur auf der Orgel gesehen, sondern habe sie freigegeben für Cembalo und Streichquartett, damit sie auch im häuslichen Bereich gespielt werden konnte.
Die Frau mit der großen Leidenschaft für Tasteninstrumente erzählt vom langen Suchen, Experimentieren, Verwerfen und ihren immer wieder neuen Ideen: Sie saß für diese Orgelkonzerte am Hammerflügel, am modernen Konzertflügel, schließlich an der Hammondorgel. Immer wieder Händel, immer wieder neu und unkonventionell interpretiert. Das Album, drei CDs mit allen drei Instrumenten, nennt sie ihre moderne Händel-Rezeption. "Ich will, dass man Händel heute hört", sagt sie.
Das Spiel auf der Hammondorgel ist auch für sie eine ganz neue Erfahrung
Diese individuellen Lesarten der Barockmeister sind für die Musikprofessorin nicht neu. Sie brachten ihr viele Preise ein, jede Menge Zuspruch, Plattenverkäufe natürlich inbegriffen. Mit ihren 16 Suiten von Händel, die es eigentlich für Cembalo und kaum für Klavier gab, erklomm sie schon einmal die Klassik-Charts und verharrte dort, wurde dafür mit dem Echo Klassik und 2012 mit dem Händelpreis der Stadt Halle geehrt.
"Jetzt habe ich mit den Instumenten noch eins draufgesetzt", sagt sie. Über ihr Gesicht huscht ein Strahlen. Neugierig sei sie, wie das nun ankommen werde. Ragna Schirmer an der Hammondorgel, das ist auch für sie eine ganz neue Erfahrung. "Es war nicht leicht, jemanden zu finden, der die Arrangements so schreibt, dass der Geist von Händel erhalten bleibt, ohne dass es profan wird", sagt sie. Stefan Malzew habe das geschafft, dass die beteiligten Jazzmusiker frei improvisieren und sie selbst original Händel spielen könne.
Doch das Spiel auf der Hammondorgel ist nicht das einzige Experiment ihres neuen Projektes. Der Händelpreis war verbunden mit einer Komposition für Klavier und Orchester, die von der Stiftung Händelhaus beim französischen Komponisten Guillaume Connesson in Auftrag gegeben wurde.
Franzose komponierte ein Klavierkonzert als Auftragswerk der Händel-Festspiele
Connessons "Concertino pour Piano" ist auf der zweiten CD zu hören, Ragna Schirmer spielt mit dem Kammerorchester "DaCuore", das sie eigens für dieses Projekt gegründet hat. Es ist ihr Projekt. Sie ist sozusagen Executive Producer. Sie legt wert auf Eigenregie. "Wissen Sie, ich hätte mein Vorhaben schwer erklären können. Jazz und Händel. Man muss es hören."
Ein für sie komponiertes Klavierkonzert, die Liebe zu den verschiedenen Instrumenten, die Interpretation in neuen Epochen, die immer wieder wechselnden Stimmungen - und all das unter einem Thema wäre gut machbar gewesen in mehreren Projekten. Ragna Schirmer schüttelt den Kopf. "Das wollte ich nicht." Sie wollte es genau so, wie es jetzt vorliegt. Kompakt, spannend, neugierig machend.
"Ja", sagt sie auf die Frage, ob das Ganze gewagt sei, und schließt sofort an: "Das hoffe ich. Diese Musik soll polarisieren." Auch ihre Spannung steigt. Die ersten Auftritte sind greifbar nah.
Alles kommt von Herzen. Das war und ist ihr Motto
Am 3. Oktober wird Ragna Schirmer bei "Händel im Herbst" im Freylinghausen-Saal der Franckeschen Stiftungen das von Connesson für sie geschriebene Stück uraufführen. Geplant war es schon zu den Händel-Festspielen, die von der Stadt Halle aufgrund des Hochwassers im Juni komplett abgesagt wurden. Ein Neutermin war nicht einfach zu koordinieren. Ragna Schirmer ist ausgebucht, die Musiker des Gewandhauses Leipzig und der Staatskappelle Halle müssen sich für das Ensemble "DaCuore" auch erst terminlich zusammenfinden.
Als die angehende Pianistin mit 15 Jahren, so erinnert sie sich, ihr erstes Autogramm gegeben hatte, schrieb sie ein "Herzlichst" neben ihren Namen. Das handhabt sie bis heute so. "Ich mache alles von Herzen. Das war und ist mein Motto." Das italienische "DaCuore" stehe für dieses Herzensanliegen, sagt sie und lächelt. Das ist pure Vorfreude auf das, was da jetzt kommen mag.