"Ottone, Re di Germania" bei den Händel-Festspielen Europäische Geschichte aus einer heiter-bunten Sicht
Von Helmut Rohm
Halle. Ein Stück realer europäischer, auch regionaler Geschichte und eine Wiederentdeckung bot die Hallenser Opern-Premiere am Freitagabend. Georg Friedrich Händels "Ottone, Re di Germania" kam im Rahmen der Händel-Festspiele zur Erstaufführung nach der halleschen Händel-Ausgabe.
"Ottone" handelt von Otto II., Sohn Kaiser Otto I., der die byzantinische Königstochter Teofane heiraten möchte. Dazu braucht es der Auseinandersetzung mit Adalberto und dessen Mutter Gismonda, Witwe des besiegten italienischen Königs Berengar. Während Otto eine Seeschlacht gegen vermeintliche Piraten auszufechten hat, versuchen beide, seine Braut und das Reich an sich zu reißen. Eigentlich aber ist Adalberto der Bräutigam von Ottos Cousine Mathilde. Und dann ist da noch Emireno, Teofanes seit langem verschwundener Bruder Basilius ...
Inspiriert worden war Händel zu "Ottone" bei einem Besuch 1719 am Dresdner Hof. Seine Zeit in Dresden - er weilte vor allem den Hochzeitsfeierlichkeiten Friedrich Augusts von Sachsen mit Maria Josepha von Österreich bei, um erstklassige Sänger für London zu verpflichten - bildet den thematischen Rahmen der diesjährigen Händel-Festspiele. In Dresden sah Händel Antonio Lottis "Teofane". Das Libretto und Teile der Musik verwendet er für seinen "Ottone", der 1723 in London zur Uraufführung gelangt. Das später um die 200 Jahre vergessene Werk mit den politischen und menschlichen Verwirrungen zählt zu den damals erfolgreichsten des Komponisten.
Der jetzigen szenischen Neuproduktion des Händel-Werkes hat sich in Halle Franziska Severin angenommen. Die Leipziger Operndirektorin interpretiert den "Ottone" bunt und heiter, ohne dabei die grundsätzlichen historischen Zusammenhänge außer Acht zu lassen.
Auf der Drehbühne gestaltet Helmut Brade die Schauplätze der in Rom spielenden Handlung zwischen detailreich und abstrakt. Sabine von Oettingens Kostüme zwischen ganz bunt und grau in Schattierungen sind ein Konglomerat spielerischer Fantasie.
Immer wieder lässt Franziska Severin in der geschichtlichen Realität in erster Linie gestalterische, weniger aussagerelevante Anspielungen des Heute durchblitzen. Dabei bedient sich die Regisseurin einer Reihe von Klischees oder lässt es schon mal kitschig werden. Da sind die Germanen grell blondhaarig, kommt der italienische Königssohn mit Mafiabrille daher, ist die byzantinische Prinzessin mit einem Begleiter samt Handwagen voller orientalischer Accessoires unterwegs. Dann wieder wird das von der Seeschlacht kommende Schiff von einem Ritter in Flugzeuglotsenmanier dirigiert, wird zum guten Ende mit Büchsen-Prosecco angestoßen ...
Die Solisten bemühen sich, die teils koloraturreichen, oft emotional gewichtigen Partien zu präsentieren. Dabei kommt das Spiel hin und wieder zu kurz. Vorzüglich jedoch agiert Romelia Lichtenstein als Gismonda. In den weiteren Rollen: Matthias Rexroth (Ottone), Ines Lex (Teofane), Ki-Hyun Park (Emireno), Alon Harari (Alberto) und Ulrike Schneider (Matilda).
Musikalisch hält Marcus Creed mit dem Händelfestspielorchester nicht durchgängig den vom Barockkomponisten vorgegebenen Spannungsbogen im gut dreistündigen Werk.
Das Publikum in der ausverkauften Hallenser Oper spendet reichlich, aber nicht euphorisch Beifall. "Ottone" bleibt auch über die Händel-Festspiele hinaus im Spielplan. Die nächste Aufführung gibt es am 10. Juni um 19 Uhr.