1. Startseite
  2. >
  3. Kultur
  4. >
  5. Experimentierfreude und Entdeckerlust

Zum Besuch im Atelier der Magdeburger Künstlerin Ingrid Müller-Kuberski / Textiles und Arbeit mit dem Computer Experimentierfreude und Entdeckerlust

Von Jörg-Heiko Bruns 21.04.2012, 03:23

Ingrid Müller-Kuberski ist eine experimentierfreudige Künstlerin. Textiles ist längst nicht mehr das einzige Material für ihre Kunst. Sie sucht neue Wege mit ihrem Computer.

Magdeburg l Vom Zentrum der Landeshauptstadt auf die Große Diesdorfer Straße kommend, ist es linksseitig die letzte Straße der Beimssiedlung, die von 1925-1929 von Konrad Rühl nach Bruno Tauts Stadtentwicklungsplan gebaut wurde. Es waren damals die modernsten Wohnungen in Magdeburg, die im Geiste des Bauhauses errichtet wurden. Mit Blick auf den grünenden Westfriedhof lebt und arbeitet hier die Künstlerin Ingrid Müller-Kuberski in ihrer eigentlich kleinen Drei-Raum-Wohnung.

Es entstehen völlig neue Bildwelten

Die zunächst auf Textil und Papier kaprizierte Künstlerin hat seit einigen Jahren ihren Computer als williges Hilfsmittel für die Kunstproduktion entdeckt. "Die Arbeiten der letzten Jahre entstanden vorwiegend aus eigenen Fotos, aus Details von Strukturen, wie man sie in Gebirgsformationen oder in Gesteinen findet. Ich habe sie am PC bearbeitet, vergrößert, auseinandergeschnitten und neu zusammengesetzt. So sind große Fotocollagen entstanden, zunächst schwarz-weiß, in letzter Zeit auch mit farbigen Papiereinlagen." Das kann man in ihrem kleinen Katalog "Leinenprints Collagen 2003-2008" lesen, der anlässlich ihrer Ausstellung in der Galerie Himmelreich erschien.

Und natürlich geben die Abbildungen auch einen guten Einblick in die zumeist seriellen Reihen und nicht selten fasst sie die unterschiedlichen Ergebnisse zum selben Thema auch auf einem Blatt zu einem vielteiligen Tableau zusammen. Das können Variationen zum Thema "Stoff und Stein" sein oder "Eine Mauer erzählt" oder auch "Gesichter". Wenn die Strukturen interessant genug sind, können auch Reifen-oder Fußspuren im Sand oder zersprungene Gehwegplatten als Vorlage dienen. So entstehen völlig neue Bildwelten, die gleichermaßen abstrakt als auch gegenständlich sind.

Sie knüpft so an die amerikanische Pop-Art an, aber auch an die Op-Art, die die Sehträgheit der menschlichen Netzhaut nutzt. Die Flächen sind oft konstruktiv gebaut, in ihrem Inneren entwickelt die Künstlerin aber ihre malerischen Qualitäten.

Seit einigen Jahren schon arbeitet Ingrid Müller-Kuberski auch am unerschöpflichen Thema "Selbstporträt". "Die Porträtfotos von mir bearbeite ich am Computer. Ich verfremde sie, überdecke sie mit transparenten Strukturformen, Ornamenten, die ich in der Natur fotografiere oder auch in interessanten Stoffmustern finde. Ergebnisse, die mir gefallen, speichere ich ab, um dann oft immer weiter mit dem neu entstandenen Bild zu experimentieren. Meine Farbigkeit ist dabei nie realistisch."

Hier knüpft sie an ihre Studienzeit in Halle an der Burg Giebichenstein an, wo die Künstlerin bei Willi Sitte und Lothar Zitzmann das ornamental-dekorative Gestalten erlernte. Inzwischen hat sie in sieben Serien mit verfremdeten Selbstporträts alle Möglichkeiten der Gestaltung ausgetestet. Ihre eigene Freude an dieser Arbeit ist ablesbar im Kunstwerk, Ingrid Müller-Kuberski lässt sich immer noch überraschen von den Ergebnissen ihrer eigenen Arbeit.

Natürlich verschließt sie sich nicht anderen Techniken, die die Textilkünstlerin über Jahrzehnte zuvor erfolgreich erprobt hatte. Nach ihren dem Magdeburger Publikum gut bekannten Bildteppichen für das Kloster Unser Lieben Frauen und ihren restauratorischen Arbeiten in Magdeburg und Halberstadt nahm sie sich alte Stoffe für eigene Arbeiten vor. Sie zerstörte sozusagen alte textile Schönheit aus Großmutters Zeiten, um neue Schönheit in ihren Bildwerken erstehen zu lassen. Das war die Zeit, in der sie sagte: "Ich liebe Streifen und alles, was schräg ist." Collagen aus Textil, Seiden- und Crashpapier entstanden und das Material Wellpappe ging für längere Zeit in ihr OEuvre ein. Auch hier waren ihre früheren Arbeiten die wohlgenährten Wurzeln für Neues.

Ingrid MüllerKuberski gehört zu der standhaften Gruppe der Magdeburger Textilgestalter, die seit fast 20 Jahren die Magdeburger Pleinairs mit internationaler Beteiligung initiieren und trotz spürbaren offiziellen Desinteresses nicht aufgeben. Sie hat außerdem an einer ganzen Reihe internationaler Ausstellungen, so in Italien, Polen, Slowenien, der Schweiz und natürlich in Deutschland teilgenommen.

Ein Widerspiegeln der Zeit

Wenn man etwas Zeit mitbringt, kann man all das in ihrer kleinen Wohnung an den Wänden bewundern. Nur das Wohnzimmer ist frei vom Getriebe des Arbeitsalltages. Hier finden sich schöne und anregende Arbeiten befreundeter und geschätzter Künstler-Kollegen.

Die im Herzen und ihrer Entdeckerlust jung gebliebene Künstlerin, die die Eintrittsschwelle ins Rentenalter schon lange überschritten hat, gibt mir dieses Bekenntnis mit auf den Weg: "Der Computer ist Bestandteil unseres Lebens geworden. Es ist geradezu eine Pflicht für den Künstler, der dieses neue Medium für seine eigene Arbeit nutzen kann, es auch wirklich zu tun, es ist doch eine Entsprechung, ein Widerspiegeln der Zeit."

Ingrid Müller-Kuberski ist eine von nicht allzu vielen Künstlerinnen und Künstlern, die mit dem Computer freie Kunst produzieren und die entgegen allen Unkenrufen nicht steril und unpersönlich sein muss und sehr wohl eine eigene, ganz individuelle Handschrift zulässt.