Feuer bewahren: Doku über Martin Schläpfer
Der Dokumentarfilm Feuer bewahren gewährt einen tiefen Einblick in das Schaffen des preisgekrönten Choreographen Martin Schläpfer: Leidenschaft und Erfolg sind die eine Seite, Zweifel und Einsamkeit die andere.
Düsseldorf (dpa) - Der Aufstieg in den Tessiner Bergen ist auch für einen durchtrainierten Tänzer wie Martin Schläpfer beschwerlich. Doch am Ziel wird er belohnt mit einem grandiosen Alpenpanorama - und der Einsamkeit seiner kleinen Berghütte.
Allergisch werde er, wenn sich nichts in seinem Leben bewege, sagt der preisgekrönte Chef des Balletts am Rhein, der zu den bedeutendsten Choreographen Europas gehört. Das halte ich unglaublich schlecht aus. Schläpfers Lebensmotto lautet: Nie bequem, nie auf dem Status quo, nie zufrieden.
Die auf Tanzfilme spezialisierte Regisseurin Annette von Wangenheim zeichnet in ihrem ersten Kinofilm Feuer bewahren - Nicht Asche anbeten ein sensibles Porträt des 56-jährigen Schweizers, der mit seinen Choreographien zwischen Moderne und Klassik Erfolge feiert. Seit 2009 formierte Schläpfer das zur Oper Düsseldorf/Duisburg gehörende Ballett am Rhein neu.
Düsseldorf schaffte es, den gefragten Weltklasse-Tanzkünstler als Ballettchef zu halten. Dafür baute die Stadt eigens ein neues Balletthaus für die Compagnie, und Schläpfer wird künftig in Verwaltungsaufgaben entlastet.
In symbolträchtigen Nahaufnahmen wird deutlich, was das Besondere an Schläpfers Tanzkunst ist: Da schnüren Tänzerinnen ihre Ballettschuhe, denn Spitzentechnik ist und bleibt für ihn die Grundlage. Eine Ballerina übt in höchster Anspannung einige wenige Schritte immer und immer wieder. Er wolle nicht von oben nach unten arbeiten, sagt Schläpfer. Jeder Tänzer in der Compagnie ist bei ihm auch Solist.
In einer der eindringlichsten Szenen des Films tanzt Schläpfer selbst. Der Altmeister des Modernen Balletts, Hans van Manen, hat für ihn eine kleine Geschichte über einen Choreographen geschaffen. Darin muss sich Schläpfer mit einem jungen, muskulösen Tänzer messen. Er ist ein sehr guter Tänzer gewesen, sagt von Manen über Schläpfer, mit dem er seit Jahren zusammenarbeitet. Man bleibt als Choreograph auch sein Leben lang Tänzer.
Choreographie, so gesteht Schläpfer in Doppelinterviews mit engen Weggefährten ein, sei für ihn auch immer wieder große Überwindung. Man schüttelt es nicht einfach so heraus, nur weil man Erfolg hat. Der Film fragt nicht, woher Schläpfer kommt, er zeichnet auch nicht die Karriere Schläpfers nach. Wangenheim nutzte nur selbst gedrehtes Material, für das sie den Tanzkünstler ein Jahr lang bei Proben, Aufführungen und im Urlaub begleitete. Auf Experimente bei der Kameraführung oder im Schnitt verzichtete sie.
Schläpfer gewährte Wangenheim überraschende Einblicke in sein Privatleben. Acht Katzen hat er, und im Garten hinter dem Haus mit Blick auf den Rhein steht ein Kaninchenstall. Auf die Wände in seinem Haus am Rhein hat er Worte und Sätze mit wilden Pinselstrichen gemalt. Einen Eimer Farbe hat er über den Boden gekippt. Auch der sinnträchtige Filmtitel über das Bewahren des Feuers - ein abgewandeltes Zitat von Gustav Mahler - ist an eine der Wände gepinselt.
Ein, zwei Wochen im Sommer zieht Schläpfer sich in seine Einsiedler-Alpenhütte zurück, ohne Strom, kein Mensch weit und breit. Zeit kriegt wieder eine Länge, sagt er. Eine Atmosphäre von Magie.
(Feuer bewahren - Nicht Asche anbeten, Deutschland 2015, 85 Min., FSK ab 0, von Annette von Wangenheim)