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Bayreuth Für Petrenko wird der "Ring" zum Triumph

Von Kathrin Zeilmann und Britta Schultejans 02.08.2015, 17:31

Bayreuth (dpa) l Frank Castorf kostet die Reaktionen des Publikums auf seinen Opern-Vierteiler "Der Ring des Nibelungen" in Bayreuth regelrecht aus. Buhrufe und Applaus schallen gleichermaßen durchs Festspielhaus, im Fußball wäre das ein klassisches Unentschieden. Castorf steht am Sonnabendabend nach der "Götterdämmerung" mit seinem Regieteam minutenlang vor dem Vorhang. Eine Hand hat er lässig in die Sakkotasche gesteckt. Er kennt ja mittlerweile die emotionalen Wallungen, sein "Ring" ist zum dritten Mal zu sehen. Anfangs waren die Reaktionen noch viel heftiger. Uneingeschränkten Jubel dagegen gibt es für den Dirigenten Kirill Petrenko, dem das Publikum einen denkwürdigen "Ring" verdankt.

Die Regisseurin der Eröffnungspremiere eine Woche zuvor dagegen war nur kurz vor den Vorhang gehuscht: Dabei hatte Katharina Wagner gar keine Buhrufe zu fürchten. Ihre Inszenierung von "Tristan und Isolde" stieß auf Zustimmung.

Unnatürlich groß sei der Druck gewesen, hatte die Festspielchefin zuvor gesagt. Nach der Premierenwoche dürfte ihr also eine große Last von den Schultern gefallen sein. Es lief weitgehend rund - nicht nur dank ihrer düsteren "Tristan"-Deutung, auch auf den "Lohengrin" von Hans Neuenfels mit dem Chor in Rattenkostümen war wieder Verlass. 2016 allerdings muss Bayreuth ohne die Kult-Inszenierung schlechthin der vergangenen Jahre auskommen. Ein Trostpflaster: Lohengrin-Sänger Klaus Florian Vogt, der das Publikum zu ungeahnten Jubelstürmen hinriss, singt im kommenden Jahr im neuen "Parsifal" die Titelpartie.

Ob dann auch Bundeskanzlerin Angela Merkel wieder kommt? Immerhin war sie das Gesprächsthema des ersten Festspielwochenendes: Weil im Restaurant am Festspielhaus ihr Stuhl kaputt war und sie nach unten gerutscht war, machten zunächst Gerüchte von einem Kollaps die Runde. Doch die Kanzlerin erfreute sich bester Gesundheit, gönnte sich nach "Tristan und Isolde" auch noch "Lohengrin". Interessant: Eine Woche später in der "Götterdämmerung" krachte auch Brünnhildes Stuhl in sich zusammen.

Castorf interessiert sich mehr für Hagen

Castorfs Inszenierungen schwanken zwischen nahezu völliger Bezuglosigkeit zu Wagners Werk ("Rheingold", "Siegfried") und uninspirierter Konventionalität ("Walküre") - auch wenn im dritten Jahr der vierteiligen Inszenierung erkennbar an der ein oder anderen Schraube gedreht wurde. Im letzten Teil, der "Götterdämmerung", immerhin orientiert sich die Personenführung einigermaßen an der Musik. Dass Castorf sich eher für den düsteren Hagen interessiert anstatt für den zum Helden ausersehenen Siegfried, ist in Ordnung. Dass viel getrunken wird und zwischen Mann und Frau viel gefummelt - nun ja. Es lebe der Trash.

Das erneut beeindruckende Bühnenbild von Aleksandar Denic konzentriert sich auf schmuddeliges Hinterhof-Berlin. Spät wird die Fassade der New Yorker Börse enthüllt. Wird sie als Symbol des Kapitalismus zum Abschluss brennen? Ein grandioses Schlussbild versagt der Regisseur den Zuschauern. Es brennt bloß in einer Tonne im Hinterhof, Hagen starrt in die Flammen. Es ist eben auf nichts Verlass, wenn sich Frank Castorf ein Stück vornimmt. Anspielungen sind reichlich da, eingelöst werden sie meist nicht.

Petrenko hält den "Ring" zusammen

Umso gelungener ist der Auftritt der Sänger in der "Götterdämmerung". Stefan Vinke singt erstmals die Siegfried-Partie - in einer beeindruckenden Weise: Konditionsstark und facettenreich erweist er sich als echter Gewinn für die Produktion. Gut, dass er schon für das nächste Jahr wieder gebucht ist. Auch Catherine Foster ist eine starke Brünnhilde. Zurecht bejubelt das Publikum die Sänger und Sängerinnen. Doch für Kirill Petrenko wird der Abend ein echter Triumph. Er ist es, der im aktuellen Bayreuther "Ring" die Fäden zusammenhält. Nichts ist übertrieben, nichts krachend. Alles ist präzise und doch leuchtend ausgestaltet.

Umso schwerer dürfte der Abschied von Petrenko fallen. Wie er bereits im Herbst 2014 angekündigt hatte, will er sich künftig auf seine Aufgabe als Generalmusikdirektor der Bayerischen Staatsoper in München konzentrieren, ehe er dann Chef der Berliner Philharmoniker wird. In Bayreuth wird Marek Janowski übernehmen. Wie er sich im Castorfschen Chaos zurechtfindet, dürfte eine der spannenden Fragen 2016 auf dem Grünen Hügel werden.