Musical Grusel-Spaß in Halberstadt
Am Nordharzer Städtebundtheater treibt eine Grusel-Familie Scherz mit dem Entsetzen - ein Riesenspaß.
Halberstadt l Ein über 80-jähriger Comic erwacht zu neuem Leben. In diesem Musical – oder ist es ein Grusical? – ist alles möglich: Menschen mit zwei Köpfen; eine Dirigier-Hand ohne Dirigenten, unendliche Liebe zwischen Mann und Frau oder zu „Frau Luna“; die Läuterung einer durchschnittlichen amerikanischen Langweiler-Familie zu fantasievoll Liebenden.
Dramaturgin Susanne Range hatte die bislang nur zweimal in Deutschland aufgeführte Musical-Comedy der Texter Marshall Brickmann und Rick Elice mit der Musik des Komponisten Andrew Lippa für die Nordharzer entdeckt. In der Inszenierung von Klaus Seiffert, in der detailverliebten Ausstattung von Tom Grasshof und mit der Choreografie und Co-Regie von Mario Mariano wurde aus Libretto und Musik eine ganz fantastisch überdrehte Menschengeschichte voll Scherz, Satire, Ironie und tieferer Bedeutung. Dichter und intimer noch als in der Sommeraufführung im Harzer Bergtheater.
Die Addams-Familie – benannt nach dem Comic-Schöpfer Charles Addams – bewohnt ihr Geisterhaus im New Yorker Central Park. Für sie gilt das Motto „Familie steht im Vordergrund, Familie hat Gewicht. Du bist ein Addams, wenn du die Regeln ignorierst. Bist du ein Addams, sei ganz ein Addams – oder stirb!“
Mutter Mortitia mit sprechendem Namen (Gerlind Schröder) und ihren lavierend-taktierenden Ehemann Gomez (Michel Rapke) trifft fast der Schlag, als Töchterchen Wednesday (Marie-Luis Kießling) plötzlich ihren Verehrer Lucas (Enrico Scheffler) und dessen im Alltagstrott erstarrte Eltern Alice (Bettina Pierags) und Mal (Klaus-Uwe Rein) ins Gruselheim schleppt. Es wird eine Begegnung der höchst ungewöhnlichen Vorkommnisse für beide Seiten. Doch in ihren Ansprüchen an das Leben und die Liebe sind Geister und Gegenwärtige gar nicht so unterschiedlich.
Sie suchen das Glück, was einer auch tut. Ob er wie Fester (Tobias Amadeus Schöner) den Mond anbetet. Oder als behinderter Diener Lurch (Gijs Nijkamp) keine Sprache, nur ein wundersames tiefes Stöhnen hat und erst zum Schluss zu singen beginnt. Ob er wie Wednesdays Bruder Pugsley (Alexander Stefanescu, der junge Sohn des Geigers Adrian Stefanescu) das Verlassenwerden fürchtet. Oder sich wie die Großmutter (Edith Jeschke) vor der Einsamkeit gruselt. Das ganze Ensemble leistet Vortreffliches, teilweise Artistisches in seinen Rollen. Die Kostümabteilung, die Maske, Requisite und das Licht waren der Überraschungen und Verwandlungen voll!
Musikalisch wandelte Florian Kießling das Theaterorchester zum Musicalorchester mit vielen Keyboards, Gitarren, Saxofonen. Eine vielfarbige Musik von Tango bis Flamenco, vom Sologesang bis zum Septett. Die Solisten, das Ballett und der Opernchor hatten daran ihre helle Freude.
Die Zuschauer ebenso. Sie klatschten heftig, kreischten, trampelten mit den Füßen, standen auf – bei einzelnen Nummern wie im zehn Minuten langen Schlussapplaus!
Die nächsten Vorstellungen: in Halberstadt am 23. Oktober und 16. Dezember, in Quedlinburg am 6. und 25. November.